Schach: Vertrag ist Vertrag
Das Schachgenie Wesselin Topalow darf nicht an der Schach-WM in Mexiko teilnehmen. Bulgarien ist in Aufruhr.
Vertrag ist Vertrag
Weil Topspieler Wesselin Topalow nicht an der Schach-WM in Mexiko teilnehmen darf, ist Bulgarien in Aufruhr
BADEN-BADEN taz Tennisprofi Roger Federer verliert das Finale der French Open gegen Rafael Nadal und darf deswegen nicht in Wimbledon spielen - im Gegensatz zu den Viertefinalisten von Paris. Unvorstellbar? Nicht im Schach.
Die Bulgaren sehen ihren Nationalhelden Wesselin Topalow aufs Abstellgleis geschoben und sprechen von einer "schreienden Ungerechtigkeit". Topalow hatte Ende 2006 das WM-Wiedervereinigungsmatch gegen Wladimir Kramnik verloren und zuvor einen merkwürdigen Vertrag unterzeichnet. Laut diesem verzichtet der 32-Jährige im Falle einer Niederlage auf eine Teilnahme an der nächsten WM im Herbst in Mexiko. Deswegen rumort es jetzt in der Schachwelt.
Die Kandidaten-Wettkämpfe in der russischen Teilrepublik Kalmückien waren begleitet von der Forderung, dass Topalow als neunter Großmeister für die WM in Mexiko qualifiziert sein sollte. Die von ihm bei der Weltmeisterschaft des Schach-Weltverbandes Fide anno 2005 deklassierten Anand (Indien), Swidler und Morosewitsch (beide Russland) sind als Zweit- bis Viertplatzierte gesetzt. "Das entbehrt doch jeglicher Logik", argumentiert nicht nur Bulgariens Schachverbands-Chef Stefan Sergiew. Nach Titelverteidiger Kramnik sicherten sich nun auch Leko (Ungarn), Aronjan (Armenien), Gelfand (Israel) und Grischuk (Russland) im kalmückischen Elista die weiteren Plätze.
Kirsan Iljumschinow bat die WM-Kandidaten erneut zu sich in die von ihm errichtete Schach-Stadt. Mangels Sponsoren pumpte der Präsident Kalmückiens und der Fide einmal mehr die Dollars in die Wettkämpfe. Diesmal 40.000 pro Zweikampf. Leko überzeugte dabei am meisten mit zwei Kantersiegen.
Für Topalows nachträgliche Nominierung sprechen seine Leistungen: Hinter Anand ist der ehemalige Weltranglistenerste noch immer die Nummer zwei zusammen mit Kramnik. Topalow spielt nicht nur mit ähnlicher Rafinesse Schach wie Federer Tennis, er dominierte die Szene auch ähnlich wie der Schweizer bei den Grand-Slam-Höhepunkten. Topalow überrollte die Konkurrenz in "den vergangenen zwei Jahren in sieben Super-Turnieren", sagt sein Verbandschef Sergiew. Nur gegen Kramnik geriet eben bei der WM in der Steppe von Elista fatalerweise Sand ins Getriebe. Wie bei Nadal muss man gegen den ausdauernden Zweikämpfer aus Russland jeden Punkt sehr hart erarbeiten.
Selbst Kramnik wertet das Aus für den unterlegenen Weltmeister "als seltsam". Er habe dies den Funktionären der Fide vor der WM-Wiedervereinigung klar zum Ausdruck gebracht. Aber auch wenn die Entscheidung "unlogisch" sei, stünde es eben nun so in den Verträgen. Nach den abstrusen Vorwürfen Topalows bei der "WM-Toiletten-Affäre" bricht der Russe schließlich keine Lanze mehr für seinen Erzfeind. "Wenn man einen Kontrakt unterschreibt, ist er unterschrieben und zu akzeptieren, fertig. Ich würde dann nicht mehr lamentieren." Angenehmer für Kramnik ist dagegen der Vertragspassus, dass er im Falle einer Niederlage bei der WM in Mexiko gegen den Sieger eine zweite Chance bekommt - und einen WM-Zweikampf austragen darf. Das wäre etwa so, wie wenn Nadal in Wimbledon frühzeitig scheitert, der Gewinner aber seinen Sieg gegen den Sandplatzspezialisten noch einmal bestätigen muss. HARTMUT METZ
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