Bremen: Die Frau mit dem Bremer Schlüssel

Mit Karoline Linnert entscheidet zum ersten Mal eine Grüne über den Haushalt eines Bundeslandes. Sie wird vor allem Schulden verwalten dürfen.

Karoline Linnert: Ausgeglichen - im Gegensatz zum Bremer Haushalt Bild: dpa

Die Frau mit dem Bremer Schlüssel

Karoline Linnert wird Bürgermeisterin in Bremen. Die Grünen-Politikerin ist damit erst die zweite Frau in der 60-jährigen Geschichte des Kleinstlandes, die diesen Titel trägt. Und sie übernimmt das Schlüsselressort schlechthin: Finanzen.

Statistisch gesehen ist das überraschend, schließlich wachen sonst nur in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern Frauen über die Haushaltsbehörden, und einen grünen Finanzminister gabs noch nie. Aber in Bremen war dieses Teilergebnis der nun abgeschlossenen rot-grünen Koalitionsverhandlungen erwartet worden: Die 48-jährige Diplompsychologin deckt seit Jahren Haushaltstricks und -schlampereien auf. Zuletzt, da war schon Koalitionspartner Jens Böhrnsen im Amt, trat sie den Bremer Klinikskandal los. Bemerkt hatte sie die millionenschweren Betrügereien im Gesundheitswesen beim Studium der Bilanzen. Ja, ihre Finanzkompetenz ist gut belegt.

Das hat wenig damit zu tun, dass die bei Bielefeld auf dem Lande aufgewachsene Mutter zweier Kinder sich früh ihr Taschengeld durch den Verkauf von Fellen selbst erlegter Maulwürfe aufgebessert hat. Gegen das Etikett einer reinen Sozialpolitikerin wehrte sich Linnert oft und aktiv - auch, weil Sozialpolitik ganz allgemein Gesellschaftspolitik sei. Vor allem aber, weil sie vielen als typische Frauenbranche gilt.

Also hat sie sich, 1988 als Fachreferentin Gesundheit von der grünen Bürgerschaftsfraktion nach Bremen geholt, in die Tücken des Finanzsystems reingefuchst. Hat in der Haushaltsdeputation salbadernde Senatorenbelehrungen ertragen. Hat sich ab dem Jahr 2000 mit dem Hinweis unbeliebt gemacht, dass der Ansatz, die den Bremern vom Bundesverfassungsgericht 1992 zugesprochenen Sanierungsbeihilfen in Höhe von 8,6 Milliarden Euro in tolle Projekte zu investieren, das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts verfehle. Und jetzt steht sie als Finanzsenatorin bereit. "Wenn die mich lassen würden", hatte sie vor der Wahl gesagt, "würde ich das Ressort Soziales nehmen." Verwalten darf sie künftig vor allem Schulden: 14 Milliarden Euro, 20.000 pro Einwohner: ein Desaster.

Und wieder starrt der Zwergstaat nach Karlsruhe. Denn erneut hat man dort geklagt, erneut fordert man Bundesbeihilfen. So wie Berlin - das im vergangenen Jahr mit dem gleichen Wunsch scheiterte. Nein, Linnert, die oft sagt, Politik müsse "auch Spaß machen", wird nicht viel zu lachen bekommen. Insofern wäre es ein Missverständnis, die Personalie als emanzipatorischen Schub zu beschreiben. Sie steht eher in einer uralten Tradition: Wenn das Land in Trümmern liegt, ist das Aufräumen Aufgabe der Frauen. BES

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