ZDF-Reihe "Gefühlsecht": Ohne Noppen

Die neue Staffel der Filmreihe "Gefühlsecht" setzt auf Gefühlsduselei. Den Auftakt macht am Mittwoch ein Roadmovie: "Keine Lieder über Liebe".

Makatsch und Vogel: Enddreißiger auf Ausflug in die Pubertät Bild: dpa

Heike Makatsch ist toll. Jürgen Vogel auch und Florian Lukas sowieso. Wenn dann noch alle drei in einem Film mitspielen, bei dem die Jungs von Kettcar und Tomte musikalisch mitmischen, kann doch gar nichts mehr schiefgehen. Denkste. Das Gegenteil beweist Lars Kraumes halbdokumentarisches Roadmovie "Keine Lieder über Liebe", das heute (ZDF, 23.00 Uhr) als erster von sieben Filmen in der ZDF-Reihe "Gefühlsecht" zu sehen ist. Seit neun Jahren bietet das ZDF dort jungen deutschen Filmemachern die Chance, ihr Talent unter Beweis zu stellen. Thematisch in diesem Jahr besonders angesagt: Zwischenmenschliches und frustrierte Enddreißiger.

In "Keine Lieder über Liebe" wird gefühlsgeduselt, was das Zeug hält. Denn Tobias (Florian Lukas) ist fest davon überzeugt, dass seine fesche Freundin Ellen (Heike Makatsch) mit seinem coolen älteren Bruder Markus (Jürgen Vogel) ins Bett gesprungen ist. Anstatt sich die Süße zur Brust zu nehmen und nachzufragen, was Sache ist, fängt er an, einen Tour-Film über die Band seinen Bruders zu drehen und so lange herumzunerven, bis einer der beiden endlich Tacheles redet. Was für einen Anfangdreißiger ziemlich pubertär wirkt. Ein Merkmal, das auch auf die anderen beiden Figuren zutrifft, die über Liebe, Sex und Beziehungen auf Bravo-Niveau diskutieren.

Auch Eoin Moore setzt in seiner Prenzlauer-Berg-Komödie "Im Schwitzkasten" (27. Juni, 23.15 Uhr) auf sein Ensemble aus nicht mehr ganz so frischen Gesichtern des jungen deutschen Films wie Christiane Paul und Laura Tonke. Jeden Donnerstag trifft sich eine bunt gemischte Truppe in der Sauna und führt endlose Diskussionen. Ob böser Wirtschaftsmogul, engagierter Umweltaktivist oder phrasendreschender Intellektueller - jeder bekommt sein Fett weg. Pointiert, frisch und schnoddrig - ein Schmankerl für alle Freunde von "Sommer vorm Balkon".

Die Dialoge in "Gefangene" (2. Juli, 0.20 Uhr) von Iain Dilthey kann man hingegen an einer Hand abzählen. Die Geschichte einer einsamen Wissenschaftlerin, die auf der Suche nach ein bisschen Nähe dem Knasti schreibt, der direkt gegenüber ihrer Wohnung einsitzt und sie nach seinem Ausbruchversuch heimsucht, ist vor allem eins: zäh. Wortkarge Charaktere, die wie auf Valium wirken, leere Räume, die für eine verkopfte Biologin viel zu gestylt sind, und eine Kamera, die fast schon kategorisch ihre Bilder mit einem Türrahmen umschließt. Da wundert es einen nicht, dass das ZDF den Film mitten in der Nacht sendet.

Ein Schicksal, das er mit "Der Lebensversicherer" (9. Juli, 0.00 Uhr) von Bülent Akinci teilt. Ein amüsanter Film um einen überengagierten Versicherungsvertreter, großartig gespielt von Jens Harzer, der mit seinem manischen Verhalten und seiner rotzigen Art wie eine Mischung aus Christoph Maria Herbst und Martin Semmelrogge wirkt.

Auch erst zur Geisterstunde beginnt der Spielfilm "Rabenbrüder" (25. Juni, 0.00 Uhr) von Regisseur Bernd Lange. Das Porträt einer echten Männerfreundschaft dreier junger Landeier, die durch einen Unfall auf eine harte Probe gestellt wird. Düster, trist, schonungslos und streckenweise etwas langatmig. Was auch auf den Film "Urlaub vom Leben" (4. Juli, 23.15 Uhr) zutrifft, in dem Regisseurin Neele Leana Vollmar vom Leben eines frustrierten Bankangstellten erzählt, der sich trotz aller äußerlichen Statussymbole - mein Haus, mein Auto - nur leer fühlt. Bis eine flippige Taxifahrerin (Meret Becker) ihm eine neue Sicht aufs Leben eröffnet. Eine vorhersehbare Geschichte, der die Regisseurin kaum Neues abgewinnt.

Wohingegen sich Regisseurin Kerstin Ahlrichs in "Sieh zu, dass du Land gewinnst" (11. Juli, 23.15 Uhr) einem weniger populären Thema widmet: der illegalen Immigration. Die für Nike (Anna Maria Mühe) in eine völlig neue Perspektive gerückt wird, als sie sich mit der bosnischen Erntehelferin Milena (Lea Mornar) anfreundet, die auf dem Hof ihrer Familie arbeitet. Ein gelungener Film über das Leben auf dem Land, mit frechen Früchtchen, zickigen Weibsbildern und einem ordentlichen Schuss Alkohol.

Wer jedoch in der Reihe "Gefühlsecht" auf schnellen Sex, wilde Abenteuer und experimentierfreudiges Kino hofft, hat sich gründlich getäuscht. Denn statt Gefühlsecht haben die Regisseure die Supersafe-Variante gewählt. Garantiert ohne Noppen.

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