Pressefoto: Minimales Design

Die Geschichte hinter dem Bild: Der Mann sieht aus wie ein cooler Club-Gänger - aber ist ein armer chinesischer Schäfer.

"Yi Shepherd", Porträt, 2. Preis beim "World Press Photo" Bild: Wand

Im Erdgeschoss setzt die Ausstellung der World Press Photo Foundation auf die Sogwirkung der affirmativen Bilder. Fußball verbindet die Völker, an die Preisträger der Kategorie Sport reihen sich die besten Photos aus der Natur.

Im zweiten Stock dann die Bilder aus den Krisenregionen, die großen Themen aus den "News" und die anonymen Schicksale des "Daily Life". Ihr erschütternder Tenor wird sinnvoll durch die Kategorie Kunst und Unterhaltung kontrastiert.

Fast am Ende der Ausstellung hängt ein Foto, das sich nicht zuordnen lässt, es bekam den zweiten Preis in der sehr offenen Kategorie "Portrait". Das Foto könnte aus einer Modestrecke stammen, die Ästhetik erinnert an junge Magazine mit unaufdringlichem Design.

An der Wand gegenüber hängen die Bilder des Franzosen Denis Darzacq. Seine Shots von Pariser Künstlern, die horizontal durch die Luft fliegen, wurden unter anderem durch den Titel der Zeitschrift Dummy bekannt.

Die Coolness ihrer Pose unterstreicht ihr urbaner Style. Schlichte Jackets, Pullover, Hemden: die jungen Kreativen setzen auch bezüglich der Garderobe auf minimalistisches Design.

Der Mann gegenüber scheint optisch zu dieser Szene zu passen. Er trägt einfache Sneakers und eine Jacke, die vermeintlich aus einem Streetwear-Store stammt. Tatsächlich zeigt die Aufnahme des Fotografen Wang Gang eine der ärmsten und entlegensten Ecken Chinas, der Mann ist ein Schäfer und gehört zur ethnischen Minderheit der Yi.

Wang Gang lebt in der drittgrößten Stadt Chinas, Guangzhou. Er ist Unternehmer in der Werbebranche, investiert in Fernsehproduktionen und verkauft Onlinegames. Im März 2006 nimmt er sich eine Auszeit, er besorgt sich eine Kamera und reist in die Provinz Sichun.

Von seiner Reise erwartet er sich nicht weniger als Aufschluss über die unveränderbaren Eigenschaften der menschlichen Natur.

Der Mann auf dem Foto besitzt keinen Fernseher, es gibt nicht einmal Zeitungen in der Region. Er hat keine Ahnung, dass ein preisgekröntes Foto von ihm existiert. Seine Kleidung ist typisch für diese Region, sie trägt den Namen "cha-er wa".

"Yi Shepherd" von Wang Gang besticht durch die Fragen, die es aufwirft. Es verweist den Betrachter auf sich selbst und auf seine Sozialisation.

Was auch immer sich an kulturellen Codes in die Pose des Schäfers hineininterpretieren lässt: es ist der Blick des Betrachters. Das macht dieses einfache Porträt, das so gar nicht zwischen die großen Aufnahmen des Zeitgeschehens passen will, interessant.

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