Krawalle in Frankreich, Integration in NRW

Nordrhein-Westfalens Landtag debattiert über die Integration von Einwanderern – und streitet um Kopftuchverbot und die Förderung von Problemstadtteilen. FDP: „Die alte Multi-Kulti-Politik von SPD und Grünen ist gescheitert

DÜSSELDORF taz ■ Emotional aufgeladen durch die Krawalle in Frankreich hat NRWs Landtag gestern über die bestmögliche Integration von Migranten debattiert. Vertreter aller vier im Parlament vertretenen Parteien betonten, NRW sei von derartigen Aufständen weit entfernt. Dennoch warf die grüne Fraktionschefin Sylvia Löhrmann ihrem liberalen Gegenspieler Gerhard Papke vor, das besonders von FDP und CDU geforderte Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen schaffe ein islamfeindliches Klima. „Dazu verläuft jede Stammtischdiskussion auf hohen Niveau.“

Das Kopftuch sei kein politisch-fundamentalistisches, sondern ein religiöses Symbol. So trage Mevlüde Genc, die beim Solinger Brandanschlag 1993 drei Kinder verlor, aus „tief empfundener Religiösität“ immer ein Kopftuch. Schon heute gebe es „verbale Attacken gegen Mädchen mit Kopftuch“, so Löhrmann zu Papke. „Merken Sie nicht, dass Sie zündeln?“

Papke hatte zuvor vehement den gestern zur ersten Lesung vorgelegten Gesetzesentwurf der Landesregierung verteidigt, der muslimischen Lehrerinnen das Tragen des Kopftuchs im Unterricht verbietet, Kreuz und Kippa aber tolerieren will. Das Kopftuch sei ein Symbol der fundamentalistischen Scharia und mit der Demokratie unvereinbar, zitierte Papke den in Syrien geborenen Göttinger Politologen Bassam Tibi.

Das Kopftuchgesetz sei ein „klares Signal für die Selbstbestimmung muslimischer Frauen und Mädchen“, findet Papke – und die werde in Deutschland durch „Ehrenmorde“ und „tausende Zwangsverheiratungen mit Füßen getreten“. Die „alte Multi-Kulti-Politik“ von SPD und Grünen sei gescheitert, müsse durch eine „aktive Integrationspolitik“ ersetzt werden.

Wie Papke verteidigte auch CDU-Schulministerin Barbara Sommer den schwarz-gelben Gesetzentwurf. Das Kopftuch sei ein politisches Symbol, stehe „für Geschlechtertrennung, für die Ungleichbehandlung der Frau und ihre Unterdrückung“. Ähnlich argumentierte auch Integrationsminister Armin Laschet (CDU): Angesichts einem Migrantenanteil von über 25 Prozent müsse „das Zusamenleben der Kulturen verbindlich geregelt werden“. Auch machten sich gerade türkische Frauen für ein Kopftuchverbot stark, das in der Türkei die Emanzipation gestärkt habe.

Noch im Sommer hätten sich die beiden Minister für die von Sozialdemokraten und Grünen geforderte Einzelfallregelung stark gemacht, hielt Ex-Schulministerin Ute Schäfer (SPD) dagegen. Der Sozialdemokrat Wolfram Kuschke warnte wie die grüne Innenexpertin Monika Düker, die FDP wolle einen laizistischen Staat: Ein einseitiges Verbot muslimischer Symbole sei vor den Verfassungsgerichten nicht haltbar.

Überschattet von der französischen Revolte wurde auch die von den Grünen beantragte aktuelle Stunde zum Programm „soziale Stadt“. Horst Becker, kommunalpolitischer Sprecher der Grünen, warnte vor weiteren Mittelkürzungen: „Notstandsgesetze, Polizei- und Militäreinsätze“ seien vermeidbar. Auch die SPD-Abgeordnete Britta Altenkamp forderte „mehr Investitionen in Menschen, nicht in Steine“. So dürfe etwa der Landesjugendplan, für den Rot-Grün 96 Millionen Euro vorgesehen hatte, entgegen der Pläne der neuen Landesregierung nicht angetastet werden.

Kein Wort wert war den Parlamentariern dagegen die mangelnde Integration von Zuwanderern in die NRW-Politik: Dem Landtag gehört kein einziger Migrant an - und erst recht kein Muslim. ANDREAS WYPUTTA