Großbritannien: "Europafreundlicher, als man denkt"

Gordon Brown wird die Europapolitik von Tony Blair fortsetzen, sagt Graham Watson, Fraktionschef der Liberalen im Europaparlament

"Blair hat nie versucht, sein eigenes Volk von Europa zu begeistern", meint Europaparlamentarier Watson. Bild: dpa

taz: Mister Watson, wer saß am Wochenende im Brüssel am Verhandlungstisch - Tony Blair oder Gordon Brown?

Graham Watson: Man kann überall lesen, dass Gordon Brown die Politik gesteuert habe. Die beiden haben sich natürlich abgesprochen, im Vorfeld und auch während des Gipfels. Aber Blair hat genau die roten Linien gezogen, die er selber wichtig findet.

Es wird ja lanciert, er habe sich an Absprachen gebunden gefühlt und deshalb nicht weiter gehen können. Versteckt er sich hinter seinem Nachfolger?

Die Europapolitik Gordon Browns wird sich von der Europapolitik seines Vorgängers nicht unterscheiden. Es wäre zu wünschen, dass er endlich Schluss macht mit dem Blödsinn und den Euro einführt und das Schengener Abkommen unterzeichnet. Damit ist nicht zu rechnen. Aber europafeindlicher als Blair wird er auch nicht sein.

Brown muss an die nächsten Wahlen denken. Die Stimmung in Großbritannien ist ja nicht gerade proeuropäisch

Beim Eurobarometer letzte Woche haben sich 43 Prozent der Briten für eine Europäische Verfassung ausgesprochen. Nur 36 Prozent waren dagegen. Die britische Bevölkerung ist viel europafreundlicher, als man denkt. Das Problem für Blair und Brown ist die britische Presse. Man sollte besser sagen: Die amerikanische Presse, da sie im Wesentlichen aus Rupert Murdoch und Conrad Black besteht.

Die Boulevardzeitungen spielen ihr eigenes Spiel?

Genau. Blair macht seit zehn Jahren eine Politik, die hauptsächlich darauf abzielt, von der Boulevardpresse gelobt zu werden.

Wird Brown auf der Regierungskonferenz noch mal nachlegen und noch mehr rote Linien ziehen oder wird er sich an Blairs Zusagen auf dem Gipfel gebunden fühlen?

Natürlich steckt der Teufel im Detail. Deshalb werden wäh- rend dieser Regierungskonferenz schwierige Fragen aufkommen, juristische Widersprüche werden zu klären sein. Brown wird aber die Absprachen des Gipfels respektieren.

Die britischen Konservativen wollen ein Referendum über den neuen EU-Vertrag. Werden sie sich damit durchsetzen?

Gordon Brown ist sehr entschieden, kein Referendum zu machen. Es würde in Großbritannien zu einer Gespensterdebatte über Dinge führen, die mit der Verfassung nichts zu tun haben.

Angela Merkel hat die Hoffnung ausgedrückt, dass "wir auch künftig aus Großbritannien so positive Worte über Europa hören werden, wie wir es unter Tony Blair gewohnt waren". Ist diese Hoffnung realistisch?

Das scheint mir eher Ausdruck ihres feinen Sinns für Ironie. In seinen Reden klang Blair immer europafreundlich, in seinen Taten war er das Gegenteil.

Nicolas Sarkozy hat Blair als neuen EU-Ratspräsidenten ins Spiel gebracht

Das ist für einen Briten eine absurde Vorstellung. Blair hat schließlich nie versucht, sein eigenes Volk für Europa zu begeistern. Warum sollte er die übrigen Europäer für das Projekt begeistern können? Blair sollte besser Regent von Irak werden, das würde zu ihm passen.

INTERVIEW: DANIELA WEINGÄRTNER

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