Besessener mit Glockenklang

Improvisator und Dekonstruktivist: Der polnische Pianist Leszek Możdżer stellt am Freitag in der Laeiszhalle sein erstes Album vor, das auch in Deutschland erscheint

Miles Davis, gemischt mit Chopin und klassischem Choral

Stell Dir vor, Du bist Pianist und eines Tages klingelt das Telefon und jemand sagt: „Ich möchte eine Platte mit Dir aufnehmen. Morgen gebe ich Dir die genauen Informationen, wo.“ Einen Namen oder gar eine Telefonnummer sagt man Dir nicht.

Eine Grusel-Geschichte, so kurz nach Halloween? Dem polnischen Klavier-Star Leszek Możdżer ist genau dies passiert. Zumindest rankt er diese Legende rund um sein Solo-Album Piano, das er gerade auf Tournee in Deutschland vorstellt. Manchmal fühlt man sich bei Leszek Możdżer an den Keith Jarrett des legendären Köln Concert erinnert: ein Besessener, der Melodien minutenlang in der Luft schweben lassen kann, der vollständig in seinen Improvisationen aufzugehen scheint – auch wenn Możdżer seine Soli nicht auch noch mitsingen muss. Um seine Klangmöglichkeiten zu erweitern, begann er irgendwann, Teile seines Flügels zu präparieren. So kann er sich jetzt mit perkussiven Bässen oder Glockenklängen selbst begleiten.

In Deutschland ist der 34-jährige Pianist bisher nur den Besuchern des JazzBaltica Festivals ein Begriff, zu dessen Ensemble er seit 2003 gehört. In seiner Heimat Polen ist er dagegen schon ein Superstar, den unlängst ein Dokumentarfilm-Team mehrere Monate lang bei der Arbeit an einer Oper zu Shakespeares Sommernachtstraum begleitete.

Überhaupt lässt sich Leszek Możdżer nicht gern festlegen, schließlich hat er in Gdańsk (Danzig) das klassische Fach studiert und den Jazz erst kurz vor der Abschlussprüfung entdeckt. Später mischte er in der Milość Band Jazz mit Punk, improvisierte über Themen von Chopin und nahm eine Hit-CD mit Anna Maria Jopek und Pat Metheny auf.

Als fünftes Album unter eigenem Namen erscheint jetzt Piano, das er schon 1997 in der Kapelle eines ehemaligen holländischen Klosters eingespielt hat. Eigene Kompositionen wechseln hier mit Stücken von Miles Davis und Sting, die Możdżer gehörig dekonstruiert, bis er endlich mit einem traditionellen Choral schließt.

Der Kammermusiksaal hinter dem Seiteneingang der Laeiszhalle bietet zwar nicht den natürlichen Hall eines Kirchenraums. Wenn Leszek Możdżer aber all die unterschiedlichen Aspekte seiner Musik auf einem einzigen Klavier zum Klingen bringt, wird sich die entsprechende Atmosphäre wohl von selbst einstellen.

Tobias Richtsteig

Fr, 11.11., 20 Uhr, November, Laeiszhalle