Fernsehen: Aktuelles statt Kostümfilm

Willkommen, Terror und Klimawandel: Wie sich das Fernsehen der Ängste der Menschen annimmt.

Terror: Heute noch in der Realität, morgen schon im TV Bild: dpa

"Klimawechsel, Terror - die Leute verspüren im Moment mehr Ängste als zu anderen Zeiten, und das zeigt sich auch in den aktuellen Produktionen." Nüchtern beschreibt Jan Mojto, einer der wichtigsten Fernsehproduzenten Deutschlands, seine Beobachtung. Mojtos EOS-Entertainment hat soeben "Trojan Horse" vorgestellt, eine Geschichte, in der angesichts globaler Bedrohung die europäischen Geheimdienste Einfluss auf die US-Regierung gewinnen möchten. "Auch diese Geschichte spricht bewusste und unbewusste Ängste des Publikums an", sagt Mojto.

Und auch das nächste Projekt ist sozusagen "katastrophal": Gemeinsam mit Teamworx-Chef Nico Hofmann ("Dresden", "Luftbrücke", "Die Flucht") bereitet er ein Projekt für RTL um einen fiktiven Vulkanausbruch in der Eifel vor: "Es geht auch um die Frage, wie die moderne Gesellschaft auf solche Katastrophen reagiert." Daneben stellt der ehemalige Kirch-Manager Mojto noch einen ganz allgemeinen, zyklischen Wechsel im TV-Genre fest, von den bisher favorisierten "Kostümfilmen" hin zu jetzt wieder mehr "Aktuellem".

Auch für den britischen Regisseur Jack Gold ("Inspector Morse") ist offensichtlich: "Wir leben in einer Zeit, in der sich die großen Geschichten um uns herum ereignen. Im Moment passiert so viel auf der Welt." Mittlerweile gehöre es für Autoren zum Pflichtprogramm, täglich die Zeitungen nach guten Geschichten zu durchforsten, so Gold: "Die Herausforderung durch den Terrorismus, der Nord-Süd-Konflikt, die Klimadebatte, das betrifft Menschen rund um den Globus, es weckt ihre Ängste, mobilisiert ihre Hoffnungen." Dabei dürften Filmkreative "eines nicht vergessen": Das Publikum wünsche "keine Belehrungen, sondern Geschichten, die individuelle Schicksale erzählen".

Von der Realität regelrecht eingeholt fühlt sich John Cassar, Produzent der Erfolgsserie "24". Als die erste Staffel 2001 in den USA startete, war sie nur mäßig erfolgreich. Doch das änderte sich schlagartig nach dem 11. September: Seitdem haben die Geschichten um Superagent Jack Bauer, der gegen alle Fronten und alleine auf sich gestellt Terroristen und Verschwörer jagt, überall eine riesige Fangemeinde erobert. Nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern weltweit, selbst in Ägypten und Japan. "Die Bedrohungen, die in unserer Show eine Rolle spielen, sind mit einem Mal für viele Menschen in vielen Ländern realistischer geworden", begründet Cassar den Erfolg. Im letzten Jahr geriet die Reihe allerdings wegen der Darstellung von Folterszenen unter Beschuss. Die öffentliche Diskussion über die rüden Verhörmethoden des Protagonisten halten bis heute an, der Hauptvorwurf lautet, hier werde der Einsatz von Folter legitimiert. "Während bei uns solche Szenen von Anfang an zum Konzept gehörten, sind Geschehnisse dieser Art neuerdings Realität geworden und überall zu finden", sagt Cassar: "Nach Abu Ghraib diskutiert jetzt die ganze Nation darüber, ob Folter gerechtfertigt ist oder nicht. Und da sind wir mit hineingeraten."

Der US-Sender HBO hat soeben im alten Europa seine aufwendige Produktion "Bury My Heart at Wounded Knee" über die Ausrottung der Indianer vorgestellt. "Das Thema ist heute relevanter denn je, weil der Film genau das widerspiegelt, was zurzeit im Irak passiert", sagt der Produzent Dick Wolf. Dee Browns Buchvorlage von 1970 habe die Parallelen zum Vietnamkrieg aufgezeigt, und auch heute gehe es wieder darum, "dass anderen Völkern mit Zwang ein fremdes kulturelles Konzept übergestülpt werden soll."

Der US-Fernsehproduzent Tim Gibbons glaubt, dass sogar Show- und Unterhaltungsformate geeignet sind, aktuelle Entwicklungen aufzugreifen. Amüsiert berichtet Gibbon von einem "Fake"-Dorf in der Mojave-Wüste von Arizona: "Die US Armee hat dort eine irakische Stadt nachgebaut, wo Soldaten trainiert werden, die in den Irak müssen. Teenager aus dem Umland spielen die Einwohner - angeleitet von echten Irakern." Für Gibbons ist das Ganze so absurd, dass er dieses Szenario nachbauen und eine Parodie im Stil von "M.A.S.H." inszenieren möchte: "Comedy ist eine gute Art, mit solchen Themen umzugehen. Es ist zwar hochpolitisch, aber der Zuschauer erlebt das eher unterschwellig und ohne erhobenen Zeigefinger. Und das ist auch gut so, denn die Wirklichkeit ist schon hart genug.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.