Kommentar: Massiver ideologischer Vorstoß

Die Verkleinerung der Birthler-Behörde ist programmatisch für den Umgang mit DDR-Geschichte - Rückkehr auf den Trampelpfad der Totalitarismus-Theorie.

Wie sollen 40 Jahre DDR in den Museen dargestellt werden? Wie sollen die vielfältigen Formen des Widerstandes gegen die realsozialistische Unterdrückung ebenso gewürdigt werden wie das tägliche Leben der Menschen? Das war oft ein unpolitisches Sichfinden in die Umstände, oft auch geprägt von einer wenngleich kritischen Übereinstimmung mit den Zielen des Sozialismus.

Die von der rot-grünen Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission hatte 2006 zu diesem Komplex Vorschläge unterbreitet, die auch diesen vielfältigen Alltag in der DDR beachteten. Was gestern der Kulturstaatsminister Naumann zum "Geschichtsverbund SED-Unrecht" vorgestellt hat, negiert diese Vorschläge. Rückkehr ist angesagt auf den Trampelpfad der Totalitarismus-Theorie. Bei der Behandlung des Themas "Alltag in der DDR" heißt es: "Darstellungswürdig sind nicht die vermeintlichen "Bindungskräfte" der DDR, sondern das "Angst-Anpassungssyndrom des Alltags". Nach Auffassung des Naumann-Entwurfs existierten also gar keine Faktoren, die die Bevölkerung der DDR mit ihrem Gesellschaftssystem verbanden. Wo Zustimmung sichtbar war, soll sie nur ein Produkt der Angst gewesen sein. Selbstverständlich existierte diese Angstbesetzung, aber das gesamte Verhalten der Bevölkerung zu ihrem Staat allein aus ihr abzuleiten, hat mit der Wirklichkeit der DDR nichts zu tun. Was heißt in diesem Zusammenhang "darstellungswürdig"? Offensichtlich sind das nur Materialien, die von "umfassender Kontrolle" und "massiven Anpassungsdruck" in der DDR zeugen.

Zwar wird in dem Entwurf ein "differenziertes" Urteil im Vergleich des NS- und des SED-Regimes postuliert, dann aber ist im gleichen Atemzug von den "beiden totalitären Systemen in Deutschland" die Rede. Differenzierungsbemühungen im Holzhammertakt. Als Erstes muss dieser massive ideologische Vorstoß zurückgewiesen werden. Sonst hat die notwendige Debatte über die im Entwurf vorgeschlagenen Organisationsformen des Gedenkens und der Musealisierung keine akzeptable Grundlage.

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