Schweden: Vattenfall auf Bewährung

Auch beim Beinahe-GAU in Forsmark übte sich Vattenfall in Desinformation und Beschwichtigung - mit Unterstützung der staatlichen Kontrollbehörde.

Kernkraftwerk Forsgau: Beinahe-Gau. Bild: dpa

STOCKHOLM taz . "Neuer Kernkraftskandal um Vattenfall", übertitelte die schwedische Nachrichtenagentur TT am Montag eine Meldung über die Informationspolitik der deutschen Tochter des Staatskonzerns im Falle Brunsbüttel. Wundern tut sich in Schweden aber kaum jemand. Verschweigen, verschleiern, herunterspielen, Halbwahrheiten verbreiten, Desinformationskampagnen mit persönlicher Verleumdung von Kritikern: Dies praktizierte der Konzern nach dem Beinahe-GAU beim schwedischen Forsmark-Reaktor.

Als die Presse nach dem Notstopp am 25. Juli 2006 wissen wollte, was denn eigentlich passiert sei, bekam sie nur die Antwort "nichts Ernstes". Selbst die zuständigen Behörden und die Regierung wurden erst einen Tag später informiert - aus den Medien. Danach bequemte sich auch Vattenfall tatsächlich zu einer Stellungnahme und veröffentlichte acht Zeilen im Internet.

Die Atomaufsicht, die in Schweden von der staatlichen SKI ("Statens Kärnkraftsinspektion") ausgeübt wird, fand dies erst einmal nicht weiter kritikwürdig. Sie beteiligte sich sogar zunächst an den Bagatellisierungsversuchen. Zwischen einem Staatsunternehmen und einer staatlichen Behörde sind im Zweifel auch die persönlichen Bande zwischen den Verantwortlichen sehr eng. Hätte es die Medien nicht gegeben, in denen Stimmen zu Worte kamen, die auf die Schwere des Vorfalls hinwiesen, wäre man vermutlich seitens Vattenfall und SKI zur Tagesordnung übergegangen. Aktiv wurde SKI erst, als klar wurde, dass der Deckel nicht auf dem kochenden Topf zu halten war, und die Behörde selbst wegen ihrer Mauschelei mit Vattenfall ins Zwielicht kam.

Technische Sicherheit einerseits, Zuverlässigkeit des AKW-Betreibers andererseits sind auch in Schweden Grundpfeiler des Atomrechts und Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis. Die Aufsichtsbehörde widerrief deshalb zeitweise Betriebsgenehmigungen bis zur Klärung der Frage, ob baugleiche Elemente in anderen Reaktoren zu einem Vorfall wie in Forsmark führen könnten. Trotz massiver Kritik an der Sicherheitskultur wurde die Zuverlässigkeit des Reaktorbetreibers Vattenfall offiziell aber nicht grundsätzlich infrage gestellt. Vattenfall erhielt eine Art "Bewährung": Man stellte das AKW unter eine spezielle Überwachung, die auch beinhaltete, dass der Behörde täglich über alle Vorfälle um den Reaktorbetrieb Bericht zu erstatten war. Und die Kontrolle durch Beamte vor Ort wurde intensiviert.

Vattenfall versprach Besserung, doch im Prinzip scheint sich auch in Schweden nicht viel geändert zu haben. Über die Gründe eines Notstopps in einem Forsmark-Reaktor wegen Fehlern am Kühlsystem im Oktober letzten Jahres wurde die Öffentlichkeit wiederum erst nach drei Tagen informiert. Und aus der zunächst ins Gespräch gebrachten unabhängigen Untersuchungskommission zum Beinahe-GAU wurde eine Inspektion durch die atomkraftfreundliche Atomenergieagentur IAEA.

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