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Liebe Heide Oestreich, danke für Ihren treffenden Kommentar. Für mich geht es nicht um Berührungsängste gegenüber konservativen Kreisen oder Medien - längst ist klar (auch für Frauenpolitik), dass in den Nischen vielleicht gesellschaftliche Veränderungen vorbereitet werden, aber durchgesetzt werden müssen sie im "wahren Leben" - dazu gehört die CSU ebenso wie BILD. Aber eines ist es, sich z.B. in der BILD zu Wort zu melden, oder ein Interview zu geben, aber ein anderes ist es, für ein solches Blatt zu werben. Unerträglich finde ich dabei besonders den Missbrauch des Wortes Wahrheit - dass BILD mit diesem Begriff werben kann, ist schon eine unglaubliche Dreistigkeit. Bei einer solchen Kampagne mitzuspeielen, ist eine arge Verhöhnung jeglicher Erfahrungen und Erkenntnisse über Medienmissbrauch. In diesem Fall nur erklärbar über das Geltungsbedürfnis und die Mediengeilheit von Alice Schwarzer, die darüber offenbar sämtliche Prinzipien über Bord geschmissen hat. Tja, schade für Alice, damit bewegt sie sich auf den Ausmusterungshaufen der Frauenbewegung zu. Die öffentliche Frage in der "Zeit" vor einem Jahr: "Brauchen wir einen neuen Feminismus?" hat damit eine ganz neue Facette gewonnen: Brauchen wir neue Feministinnen...?
Wer wie Alice Schwarzer die biologischen Aspekte der Unterschiede zwischen männlich und weiblich mit Kommentaren wie "Mal soll's an den Hormonen liegen, mal an den Genen, mal an den Gehirnzellen. Nichts Genaues weiß man, aber viel schreibt man." abtut (in Cicero 09/2004), empfindet Wahrheitssuche auf diesem Gebiet offenbar als zu anstrengend. Aber eine Meinung kann man auch ohne Mühsal haben, zu allem und jedem, das prüft niemand nach. Deshalb ist Frau Schwarzer doch bestens aufgehoben in BILD-dir-deine-Meinung! Besorgt hätte man höchstens sein können, wenn sie im Zusammenhang mit dem Begriff "Wahrheit" plötzlich auf einem Plakat von "Spektrum der Wissenschaft" oder Ähnlichem aufgetaucht wäre.
Da sag ich doch mal ganz antifeminin: typisch Frau! ;-)
Die erste Sitzung in Thüringen endet im Chaos. Weil der AfD-Alterspräsident die Verfassung gebrochen habe, ruft die CDU nun das Verfassungsgericht an.
Kommentar: Die Alibi-Frau
Warum Alice Schwarzer neuerdings für die "BILD"-Zeitung wirbt. Und damit dem konservativen Antifeminismus einen großen Dienst erweist.
Alice Schwarzer tummelt sich dieser Tage in konservativer Gesellschaft. Stumm lächelt sie uns von den Werbeplakaten der Bild-Zeitung entgegen. Und am Freitag war sie bei den CSU-Frauen zu Gast, um dort zu diskutieren. Letzteres ist schlichte demokratische Kultur: Den Vorwurf, dass Schwarzer sich zu den Schwarzen hinwenden würde, kann man ihr deshalb nicht machen. Denn mit einigen ihrer Thesen - etwa zum Verbot von Prostitution oder ihrer antiislamischen Haltung - hat sich Alice Schwarzer schon immer als anschlussfähig zur Rechten gezeigt. Aber sie hat stets auch noch andere, unbequemere Thesen zum Thema Gleichstellung, Männerbünde oder Sexismus im Gepäck, die konservative Männer eher ungern hören.
Etwas anders verhält es sich mit ihrem Beitrag zur Kampagne der Bild-Zeitung. Denn hier lässt sich Alice Schwarzer schlicht missbrauchen. Sie spricht auf diesen Plakaten eben gerade keine Wahrheit aus, wie der Bildtext suggeriert ("Jede Wahrheit braucht eine Mutige, die sie ausspricht"). Stattdessen wirbt sie wortlos für eine sexistische Zeitung, und gibt damit die stumme Alibi-Frau in einer Reihe stummer Männer. Wahrscheinlich hat Alice Schwarzer an ein Geschäft auf Gegenseitigkeit gedacht: Sie nutzt Bild, und Bild nutzt sie. Aber das zeugt von einer krassen Selbstüberschätzung. Denn Alice Schwarzer hat hier ja nichts zu sagen - die Bild-Zeitung hat vielmehr das letzte Wort.
Das ist, jenseits von Schwarzers persönlicher Eitelkeit, ein gravierendes Problem. Denn indem sich die führende Repräsentantin des Feminismus in Deutschland in eine Reihe mit historischen Persönlichkeiten stellt, historisiert sie auch den Feminismus. Die Bildsprache der Plakatkampagne suggeriert: Feminismus, das war die mutige Alice Schwarzer mit ihren Paragraf-218-Kampagnen.
Aber das ist lange her. Heute gehört dieser Feminismus einer vergangenen Epoche an. Heute ist er offenbar unnötig, denn sonst würde er ja eventuell gegen den Sexismus in der Bild-Zeitung protestieren, statt für sie zu werben. Damit hat Schwarzer dem konservativen Antifeminismus einen großen Dienst erwiesen.
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Kommentar von
Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.