Kommentar: Die Alibi-Frau
Warum Alice Schwarzer neuerdings für die "BILD"-Zeitung wirbt. Und damit dem konservativen Antifeminismus einen großen Dienst erweist.
A lice Schwarzer tummelt sich dieser Tage in konservativer Gesellschaft. Stumm lächelt sie uns von den Werbeplakaten der Bild-Zeitung entgegen. Und am Freitag war sie bei den CSU-Frauen zu Gast, um dort zu diskutieren. Letzteres ist schlichte demokratische Kultur: Den Vorwurf, dass Schwarzer sich zu den Schwarzen hinwenden würde, kann man ihr deshalb nicht machen. Denn mit einigen ihrer Thesen - etwa zum Verbot von Prostitution oder ihrer antiislamischen Haltung - hat sich Alice Schwarzer schon immer als anschlussfähig zur Rechten gezeigt. Aber sie hat stets auch noch andere, unbequemere Thesen zum Thema Gleichstellung, Männerbünde oder Sexismus im Gepäck, die konservative Männer eher ungern hören.
Heide Oestreich ist Inlands-Redakteurin der taz und Fachfrau für Gender-Themen.
Etwas anders verhält es sich mit ihrem Beitrag zur Kampagne der Bild-Zeitung. Denn hier lässt sich Alice Schwarzer schlicht missbrauchen. Sie spricht auf diesen Plakaten eben gerade keine Wahrheit aus, wie der Bildtext suggeriert ("Jede Wahrheit braucht eine Mutige, die sie ausspricht"). Stattdessen wirbt sie wortlos für eine sexistische Zeitung, und gibt damit die stumme Alibi-Frau in einer Reihe stummer Männer. Wahrscheinlich hat Alice Schwarzer an ein Geschäft auf Gegenseitigkeit gedacht: Sie nutzt Bild, und Bild nutzt sie. Aber das zeugt von einer krassen Selbstüberschätzung. Denn Alice Schwarzer hat hier ja nichts zu sagen - die Bild-Zeitung hat vielmehr das letzte Wort.
Das ist, jenseits von Schwarzers persönlicher Eitelkeit, ein gravierendes Problem. Denn indem sich die führende Repräsentantin des Feminismus in Deutschland in eine Reihe mit historischen Persönlichkeiten stellt, historisiert sie auch den Feminismus. Die Bildsprache der Plakatkampagne suggeriert: Feminismus, das war die mutige Alice Schwarzer mit ihren Paragraf-218-Kampagnen.
Aber das ist lange her. Heute gehört dieser Feminismus einer vergangenen Epoche an. Heute ist er offenbar unnötig, denn sonst würde er ja eventuell gegen den Sexismus in der Bild-Zeitung protestieren, statt für sie zu werben. Damit hat Schwarzer dem konservativen Antifeminismus einen großen Dienst erwiesen.
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