Gesundheit: US-Jubel für das Modell Deutschland

Hierzulande Buhfrau, in den USA bewundert: Ulla Schmidt erklärt den Amerikanern das deutsche Gesundheitssystem - dort bekommt sie endlich Lob und Anerkennung

Ulla Schmidt braucht einen Michael Moore nicht zu fürchten Bild: dpa

MINNEAPOLIS taz "Herausragend", "einige der besten Köpfe der Welt", "vorbildlich" - nur wenigen Deutschen käme es in den Sinn, das eigene Gesundheitssystem so zu loben. Doch alles ist eine Frage der Perspektive. Schaut man von der anderen Seite des Atlantiks aus auf die deutsche Krankenversorgung, sieht diese ziemlich propper aus, so zumindest lautete der Tenor des "American & German Healthcare Forum".

Das jährliche Forum, dass zu Wochenbeginn in Minneapolis im nördlichen US-Bundesstaat Minnesota stattfand, versammelte bereits zum dritten Mal die wichtigsten Vertreter der Gesundheitsbranche beider Länder, darunter auch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und Vertreter einiger Pharmakonzerne.

Das Timing für den transatlantischen Ideeanaustausch hätte besser nicht sein können. Gerade macht Michael Moore das Thema US-Gesundheitssystem mit seinem jüngsten Film "Sicko" zum Kino-Blockbuster. In zwei US-Bundesstaaten, Maine und Massachussetts, laufen erstmals Pilotprogramme zur Einführung einer flächendeckenden Krankenversicherung. Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat ehrgeizige Ideen einer Gesundheitsversorgung für alle und die rund 20 Präsidentschaftskandidaten müssen wieder und wieder Fragen beantworten, wie denn die USA aus der Krise der Gesundheitsversorgung zu führen sei.

Deutschland sei als Modell für die USA deshalb interessant, weil es Kür und Pflicht verbinde, erklärte Julia Bunn, eine Abgeordnete im Landesparlament von Minnesota, dem gesundheitspolitisch fortschrittlichsten US-Bundesstaat. Bunn bereitet für den Herbst eine Gesetzesvorlage zur Einführung einer umfassenderen Gesundheitsversorgung vor. Attraktiv findet sie am deutschen System, dass es "Wettbewerb und Pflichtelementen verbindet und dass Krankenversicherungen miteinander in Konkurrenz stehen". Das mache das deutsche System weitaus interessanter als die verstaatlichten britischen und kanadischen Systeme.

Ohne es so klar und deutlich auszusprechen wie die Ökonomin Bunn, gaben auch andere US-Vertreter in den Kaffeepausen zu verstehen, dass die Frage nach der Rolle des Staates in der US-Debatte ein so heißes Eisen sei, dass man sich daran nicht die Finger verbrennen wolle. Daher sei alles, was in den USA nach starkem Staat und Zwangsmodellen in der Gesundheitsversorgung aussehe, zum Scheitern verdammt, sagten sie. Deutschland scheine einen guten Mittelweg gefunden zu haben. Geradezu bewundernswert sei es, so einige Vertreter aus der US-Gesundheitsadministration, dass die Bundesrepublik es schaffe, die Preissteigerungen im Gesundheitswesen soweit zu deckeln, dass sie mit dem Wachstum des Bruttosozialprodukts einhergingen.

Davon können US-Bürger fürwahr nur träumen. Die US-Gesundheitskosten stiegen in den letzten fünf Jahren um sagenhafte 87 Prozent und sind die teursten weltweit - bei einer bisweilen recht unterdurchschnittlich versorgten Bevölkerung.

Besonderes Lob erhielt der Innovationstandort Deutschland, was Gesundheitsministerin Schmidt mit sichtlicher Zufriedenheit hörte. "In Deutschland arbeiten einige der fortschrittlichsten und brilliantesten Ärzte weltweit", meinte Stephen Oesterle, einer der US-Manager des aus Minnesota stammenden Medizingeräte-Giganten Medtronic. Ihr beachtliches Knowhow führe fortwährend zu global notwendigen Innovationen. Problematisch sei aber, dass Innovationen in Deutschland kaum marktfähig gemacht werden könnten, weil dort, wie in der gesamten EU, das notwendige Kapital fehle. Hier könnte Deutschland durchaus von den USA lernen.

"Wir haben eigentlich mehr Gemeinsamkeiten, als man denkt", befand Hubert H. Humphrey, Landes-Präsident Minnesota der AARP, einer US-weit rund 39 Millionen US-Bürger vertretenden US-Lobbyorganisation für ein besseres Geusndheitssystem. "Wir stehen alle vor den gleichen drei Herausforderungen: Überversorgung, Unterversorgung und Fehlversorgung."

AARP hat für den Herbst ein Arbeitstreffen mit Vertretern des deutschen Gesundheitssystems geplant. "Die Deutschen können von uns Qualitätsmanagement lernen, das machen wir nämlich viel besser. Wir wollen lernen, wie man Langzeit-Pflege für eine alternde Bevölkerung organisiert, das klappt nämlich in Deutschland ganz gut."

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