Eine Frage der Alternativen

VERKEHR II Das Land Berlin kann jetzt die S-Bahn-Ausschreibung neu starten – oder selbst neue Züge kaufen

Der Status quo

Derzeit hat der Senat der Deutschen Bahn die Aufgabe übertragen, den S-Bahn-Verkehr in Berlin zu organisieren. Die Bahn bedient sich dazu eines Tochterunternehmens, der S-Bahn Berlin GmbH. Rund 650 Millionen Euro kostet der Betrieb der S-Bahn pro Jahr, davon entfallen gut 400 Millionen Euro auf die Technik und Material; an die gut 3.000 Mitarbeiter fließen 140 Millionen Euro. Der größte Posten bei den Einnahmen sind die Fahrscheine mit 330 Millionen Euro. Außerdem zahlt der Auftraggeber, also der Senat, 210 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt. Die Details regelt ein Vertrag, der Ende 2017 ausläuft. Und dann?

Einen neuen Anbieter suchen

Derzeit sucht das Land einen neuen Betreiber für ein Drittel der Gesamtstrecke, die Ringbahn. Das Grundproblem: Der Betreiber braucht etwa 50 Züge, die extra für ihn hergestellt werden müssen, weil es ein vergleichbares System mit Gleichstrom über eine seitliche Stromschiene nirgendwo gibt. Die Investition in die Züge lohnt sich aber nur, wenn diese auch viele Jahre fahren. Also soll der Anbieter die Ringbahn zunächst 15 Jahre lang bekommen.

Anschließend wird die Strecke erneut für 15 Jahre ausgeschrieben. Wenn ein anderer gewinnt, muss der erste Anbieter diesem die Züge überlassen. Nach 30 Jahren sollen die Fahrzeuge dann an das Land Berlin gehen. Obwohl viele finanzielle Details noch nicht feststehen, sollte der Anbieter schon heute dafür einen Preis kalkulieren. Das Kammergericht hielt das für unzulässig und hat das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Bis der entscheidet, ist es wohl zu spät – weil dann die Zeit nicht mehr reicht, Züge zu kaufen. Es bliebe faktisch keine andere Möglichkeit mehr, als dass der Auftrag wieder an die Deutsche Bahn geht. Deren S-Bahn-Züge gehen zwar gern kaputt, was zu den bekannten Problemen geführt hat. Aber immerhin hat die Bahn überhaupt Züge.

Die Alternativen

Das Land Berlin kann die Suche nach einem Betreiber jetzt neu starten – und diesmal keinen rechtlichen Fehler machen. Es kann dabei entweder jemanden suchen, der sich die Züge kauft. Das Land kann auch selbst Züge kaufen und dann nur noch jemanden suchen, der damit fährt. Die Sozialdemokraten befürchten, dass der Betreiber im zweiten Fall kein eigenes wirtschaftliches Risiko eingeht und somit keinen Anreiz hat, sich anzustrengen. Doch das stimmt nicht. Es ist zum Beispiel möglich, die Bezahlung an die Pünktlichkeit zu koppeln: Wer ständig zu spät kommt, erhält weniger Geld vom Senat. Sogar die Qualität kann einfließen: Je zufriedener die Kunden bei Fahrgastbefragungen sind, desto mehr Geld gibt es.

Andererseits könnte das Land den S-Bahn-Verkehr auch ganz allein übernehmen. Also eigene Züge kaufen und selbst damit fahren. Genau wie es bei U-Bahnen und Bussen schon jetzt der Fall ist – die BVG ist schließlich eine landeseigene Anstalt öffentlichen Rechts. Das Land könnte für die S-Bahn entweder ein neues Unternehmen gründen oder der BVG diese zusätzliche Aufgabe übertragen.

Egal, welche Alternative es wird: Die Entscheidung muss schnell fallen. Denn neue Züge sind nicht so schnell gebaut und zugelassen. SEBASTIAN HEISER