Kommentar: Ausweitung der Todeszone

Die Anrainerstaaten der Ostsee tun zu wenig, um das Meer vor ihrer Haustüre zu schützen. Wenn es so weitergeht, droht der endgültige Kollaps dieses Ökosystems.

Erst vor ein paar Wochen hatten Experten vor einer rekordstarken Algenblüte gewarnt. Dass die Ostsee davon bislang verschont blieb, ist nur dem relativ kalten und regenreichen Sommer in Skandinavien zu verdanken. Allein aus diesem Grund werden sich die dortigen Todeszonen, die schon jetzt etwa eine Größe von der Fläche ganz Bayerns umfassen, in diesem Jahr nicht mehr allzu sehr ausbreiten. Ein Grund zur Entwarnung ist das aber nicht.

Die hauptsächliche Ursache für das fortschreitende Meeressterben ist, neben dem rußigen Ausstoß aus Schiffsschornsteinen, die moderne Intensivlandwirtschaft. Diese düngt die Ostsee munter weiter. Bei diesem hausgemachten Umweltproblem können wir Europäer uns nicht mit Verweis auf Bremser in Washington oder die Industrialisierung in China aus der Verantwortung stehlen. Aber was tun wir Ostseeanrainer, die mit Ausnahme Russlands alle EU-Mitgliedstaaten sind? Viel zu wenig. Die Menge von Phosphaten und Nitraten, die jährlich ins Meer geleitet werden, zu halbieren - das hatten sich die meisten Ostseeanrainer für den vergangenen 15-Jahres-Zeitraum vorgenommen. Dieses Ziel wurde weit verfehlt. Nur um 25 Prozent ist die Phosphorbelastung gesunken, der Stickstoffausstoß sogar angewachsen.

Das zeigt, dass die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen. Mehr noch: Forscher befürchten eine weitere Verschlechterung der Situation, wenn sich die Landwirtschaft in Polen und den baltischen Staaten intensiviert. Wenn sich alle Ostseeanrainer zu gleicher Tierdichte und Produktivität aufschwingen wie Dänemark, würde der Austritt von Nährstoffen in die Ostsee um weitere 50 Prozent anwachsen, sagt eine aktuelle schwedische Studie. Meeresbiologen warnen für diesen Fall vor einem endgültigen Kollaps dieses Ökosystems.

Die Rettung der Ostsee hängt darum von der EU-Landwirtschaftspolitik ab. Für die war der Zustand der Ostsee bislang allenfalls ein Randproblem. Das muss sich ändern. So könnte Brüssel auch beweisen, dass Europa zumindest in der Lage ist, seine eigenen Umweltprobleme in den Griff zu bekommen.

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Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.

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