Doku: Falsche Einschätzung

"Wenn Tote stören - Vom Sterben an der Mauer" (1. August, 22.45 Uhr, ARD) gab schon vorab Anlass zu Diskussionen.

Die Berliner Mauer bewegt noch heute die Gemüter Bild: dpa

Fast wäre die Dokumentation über die Todesopfer der Mauer nicht produziert worden. "Ich habe die Idee zunächst abgelehnt, weil ich irrtümlicherweise annahm, dass das Thema niemanden mehr interessiert", gesteht Werner Vennewald, der 49-jährige Produzent des Films. Er ist gebürtiger Münsterländer.

Eine typische Wessi-Einstellung, wie sich herausstellte. Wie stark die Mauer und die mit ihr zusammenhängenden Schicksale die Gemüter noch heute bewegen, zeigte sich bei der Vorab-Pressevorführung in der Gedenkstätte Berliner Mauer. Dort trafen die verschiedenen im Film interviewten Parteien aufeinander. Angehörige der Opfer lieferten sich teils sehr emotionale Diskussionen mit ehemaligen NVA-Mitgliedern.

Im Mittelpunkt der 45-minütigen Dokumentation stehen die Schicksale der Menschen, die bei Fluchtversuchen aus der DDR ihr Leben ließen, und die ihrer Familien. "Natürlich sind auch Grenzsoldaten an der Mauer zu Tode gekommen, aber uns ging es in dem Film um die Zivilisten", erklärt Autor Florian Huber. Die Sicht der Politiker und die Reaktion des Westens auf die mit der Mauer zusammenhängenden Probleme waren ein weiteres wichtiges Anliegen. Wer nicht in Westberlin lebte, wurde mit der Thematik kaum konfrontiert. "Ich selber habe in meiner Schulzeit nichts über die DDR erfahren", so der 39-jährige Autor, der in Nürnberg geboren wurde.

Im Film werden Archivaufnahmen von Politikerreden mit Ausschnitten aus NVA-Lehrfilmen und nachgestellten Szenen gemischt. Letztere haben oft einen dramatischen Anstrich, etwa ganz zu Beginn des Films: Zwei Männer fahren in einem Lkw durch die Nacht, dichter Nebel steigt aus den Wiesen auf. Die Zeit- und Ortsangabe wird in weißen Lettern ins Bild getippt: "12. 02. 1987, Berlin-Treptow." Schüsse sind zu hören. Schnitt.

Die Tatsache, dass Schätzungen zufolge mindestens 126 Menschen ihr Leben bei dem Versuch der Flucht aus der DDR ließen und 77 von 80 Todesschützen eine Bewährungsstrafe verbüßen mussten, steht am Ende des Dokumentarfilms.

Ähnlich wie Produzent Vennewald reagierte übrigens der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) auf Hubers Idee. Auch der Sender wollte sich nicht an der Produktion von "Wenn Tote stören - Vom Sterben an der Mauer" beteiligen, blieb aber dabei, anders als Vennewald. Eine "peinliche Entscheidung", sagt er rückblickend.

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