Umweltpolitik: "Bäume sind billiger"

Ist FDP-Umweltexperte Henner Schmidt der bessere Grüne? Von der Umweltzone in der Innenstadt hält er zwar nichts, dafür fordert er mehr Büsche und Bäume an Berlins Straßen.

taz: Herr Schmidt, alle Parteien sind für die geplante Umweltzone in der Berliner Innenstadt, nur Sie nicht. Warum?

Henner Schmidt: Weil ich mir anschaue, was derlei Maßnahmen bringen. Die Umweltzone soll ja die Konzentration von Feinstaub in der Innenstadt verringern, indem dort manche Autos nicht mehr fahren dürfen. Der Umwelt bringt das wenig, denn den größten Teil des Feinstaubs pusten nicht die Fahrzeuge in die Luft. Außerdem dürfen 20-Liter-Autos, die entsprechend viel Abgase erzeugen, mit der richtigen Plakette weiter innerhalb des S-Bahn-Rings brettern, Kleinwagen mit dem falschen Katalysator nicht. Der Aufwand, auch für kleine Gewerbetreibende, ist riesig, der Ertrag für die Umwelt ziemlich mager.

Heißt das, noch viel weniger Autos sollten in die Umweltzone fahren dürfen?

Das ist nicht die Kernfrage.

Und die lautet?

Die lautet: Wie senken wir die Feinstaubbelastung, wie es die EU vorschreibt?

Und?

1964 in Düsseldorf geboren

Studierte Chemieingenieurwesen in Karlsruhe und Nancy. Arbeitete für die Unternehmensberatung McKinsey in Warschau. Lebt seit 1990 in Berlin, heute selbstständiger Unternehmensberater

Als Student war er Bundesvorsitzender des Sozialliberalen Hochschulverbands. Ab 2001 saß er für die FDP in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte, seit 2006 im Abgeordnetenhaus.

"Die Freiheit, einen Würstchenstand aufzustellen, die Freiheit, eine Schule mit dem eigenen pädagogischen Konzept zu gründen, die Freiheit, einen Club zu betreiben, die Freiheit, sein eigenes Haus zu gestalten, wie man will. Das ist für mich tätige Freiheit."

Wenn er nicht mehr mit dem Fahrrad vorankommt, steigt er ins Segelboot.

Wir haben Studienergebnisse aus anderen deutschen Großstädten und Gegenden durchforstet und erkannt: Begrünung entlang der Straße bindet eine Menge Feinstaub. Wir müssen immer im Blick haben, was billiger ist. Und die Umweltzone kostet viel und bringt wenig.

Bäume sind billiger?

Bäume sind billiger. Oder Büsche, um genau zu sein. 50 Zentimeter hohe Pflanzen genügen.

Wo braucht Berlin am dringendsten Büsche?

Natürlich zuerst dort, wo besonders viel los ist, beispielsweise an der Karl-Marx-Allee: Da braust viel Verkehr, und an den Straßenrändern ist jede Menge Platz für Pflanzungen. An der Leipziger Straße ist es ähnlich. Dort stehen schon einige Bäume. Sträucher hätten dazwischen auch noch Platz.

Da wollen doch sicher Ämter, Bezirke und Senat mitreden.

Da muss man halt durch.

Aber wie überzeugen Sie sie davon, dafür Geld auszugeben? Können Sie Erfolge vorweisen?

Es gibt erfolgreiche Pilotprojekte, beispielsweise im deutsch-holländischen Grenzgebiet. Und so teuer ist das nicht. Geld und Arbeitskraft, die die Bezirke für die Umweltzonen-Bürokratie aufwenden, können wir auch in Anpflanzung und Pflege von Grün stecken. Wir dürfen Grün nicht nur als Kostenfaktor sehen. Wir sitzen hier im Monbijoupark, die Promenade an der Spree ist erst seit kurzem eröffnet. Das ist ein Gewinn an Lebensqualität, damit müssen wir wuchern. Außerdem können wir auf ehrenamtliches Engagement setzen. Schon heute pflegen Anwohner Patenschaften für den Baum vor ihrer Tür. Das geht auch mit Büschen.

Haben Sie schon mal versucht, vor Ihrer Haustür einen Baum zu pflanzen?

Vor meiner Tür passt keiner hin. Ich habe mal mit dem Bezirk Mitte diskutiert, warum in meiner Straße keine Bäume stehen dürfen. Angeblich passen sie dort - in die Umgebung des Gendarmenmarkts - aus stadtentwicklungspolitischen Gründen nicht hin.

So grün scheint Ihnen die Verwaltung nicht zu sein. Wie wollen Sie öffentlichen Druck aufbauen, um die Bedenken zu überwinden?

Ich glaube, da lassen sich politische Mehrheiten gewinnen. Außerdem will ich die Umweltverbände mitnehmen, Quartiersmanagements und Anwohner. In der Spandauer Vorstadt, beispielsweise in der Linien- und Auguststraße, gibt es seit Jahren Interesse an mehr Grün in diesem Kiez.

Sie schwärmen auch von Fassadenbegrünung. Wächst denn an der FDP-Zentrale Efeu?

Das Haus gehört nicht der FDP. Aber Fassadenbegrünung ist eine gute Idee. Dazu braucht man keine Genehmigung des Bezirks, und die Blätter isolieren die Hauswand. Ich werde mal die Bundespartei fragen, ob sie da was pflanzt.

Mit Gebüschen allein ist die notwendige Reduzierung des Feinstaubs nicht zu erreichen. Sie wollen auch den Güterverkehr eindämmen. Wie soll das gehen?

Derzeit fahren viele Lastwagen halbleer in der Stadt herum. Wenn etwa ein Supermarkt beliefert wird, schickt jeder Markenhersteller seinen Lkw, und der ist nicht immer voll. Über längere Strecken lassen sich zudem besser Schiff oder Eisenbahn nutzen. Das kann man organisieren. Das hat schon die Logistik für die Großbaustellen hier in Berlin gezeigt. Supermarktketten und Markenhersteller könnten sich zusammentun: Sie könnten die Güter an einer Stelle anliefern, dort umschlagen und so die Zahl der Lasterfahrten in der Stadt reduzieren.

Die Wirtschaftsverbände würden schimpfen, dass dem kleinen Händler verboten wird, mit seinem Laster durch die Stadt zu fahren. Klingt nicht gerade nach FDP.

Es soll ja nicht verboten werden. Die FDP will den Leuten etwas anbieten, das attraktiver und umweltfreundlicher ist. Für die Supermärkte wäre dies sogar billiger. Das Hauptproblem ist, die Interessenten zusammenzubringen. Automobilhersteller und Berliner Uni-Institute fördern so etwas schon. Was wir brauchen, ist ein Pilotprojekt.

Auch die Umweltzone ist ein Anreiz, um umweltfreundliche Produkte schneller zu nutzen.

Aber damit erwischen Sie nur einen relativ kleinen Teil der Autos. Wir müssen uns überlegen, ob wir dafür den ganzen Aufriss mit Plaketten und Sondergenehmigungen machen wollen.

Würden Sie zum Fan der Umweltzone, wenn sie nicht 5, sondern 25 Prozent der Autos aus der City verbannen würde?

Wenn dadurch die Feinstaubbelastung um 25 Prozent reduziert würde, dann ließe ich mich dafür begeistern. Wäre der Umwelteffekt dramatisch größer, wären vielleicht auch die Kosten gerechtfertigt.

Dennoch ist die Einführung der Umweltzone zum 1. Januar 2008 längst beschlossen. Kommen Ihre Vorschläge nicht viel zu spät?

Es muss ja gegenüber der EU nachgewiesen werden, dass tatsächlich die Feinstaubbelastung sinkt. Die wird meiner Meinung nach aber nur wenig zurückgehen. Das heißt, der Senat wird Maßnahmen suchen müssen, die mehr Entlastung bringen. Viele Ideen sind bisher nicht aufgetaucht. Unsere Vorschläge bleiben also auch als Ergänzung zur Umweltzone sinnvoll.

Ein Abgeordneter der Autofahrerpartei FDP wehrt sich gegen Fahrverbote in der Innenstadt. Da liegt der Verdacht nahe, dass Sie selbst einen schicken, tiefer gelegten Uralt-Mercedes in der Garage haben. Was fahren Sie für ein Auto?

Gar keins. Ich fahre Fahrrad.

Und warum freuen Sie sich dann nicht, dass der Senat die allerstärksten Stinker aus der Stadt verbannt, die Ihnen jetzt noch vor der Nase rumdieseln?

Ich ärgere mich erst mal über einen Senat, der nicht genügend Maßnahmen gegen die Umweltbelastung entwickelt. Denn ein großer Teil des Verkehrs bleibt - trotz Umweltzone. Und der große Teil des Feinstaubs, der von außen reinweht - von Baustellen, durch Reifenabrieb oder den polnischen Steinkohlekraftwerken - bleibt ja.

Ist für die Zusammenarbeit mit Polen nicht der Bund zuständig?

Da gibt es eine ganz gute Sache, die Interreg-Projekte der EU. Dabei könnten sich auch Berlin und Brandenburg mit der benachbarten Woiwodschaft zusammentun. Dafür gibt es EU-Fördertöpfe.

Steinkohlekraftwerke gibt es nicht nur in Polen. Der Energiekonzern Vattenfall will ein neues in Berlin bauen.

Ja, das ist eine ganz gewaltige Belastung. Der Senat spielt das ein wenig herunter und sagt: Sollen doch die, die dagegen sind, sich etwas einfallen lassen. Wir haben das versucht. Man könnte mit dezentralen Maßnahmen anfangen: mit Biogasanlagen, kleinen Gasturbinen und Blockheizkraftwerken.

Also bräuchte Berlin das Steinkohlekraftwerk gar nicht?

Nein, da wird der Bedarf zu groß gezeichnet. Nur für die Steinkohle als Energieträger muss es so groß sein. Aber wenn das Kraftwerk gebaut wird, dann brauchen wir über die Umweltzone gar nicht mehr zu reden. Dann ist die Belastung durch Feinstaub und CO2 so groß, da hilft es auch nicht mehr, wenn man ein paar Kleinigkeiten am Verkehr dreht.

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