Linkspartei: "Einigkeit bis 2009"

In Dresden spaltet sich die Fraktion der Linken, Lafontaine legt sich mit Reformern im Osten an. Trotzdem gehe es mit der Linkspartei bergauf, meint Gero Neugebauer - erst einmal.

Ein Mann gegen den Osten: Oskar Lafontaine. Bild: ap

taz: Herr Neugebauer, zerbricht die PDS an Oskar Lafontaine?

Gero Neugebauer: Es gibt unbestreitbar innerparteiliche Konflikte wegen Oskar Lafontaine, aber daran wird die Partei nicht zerbrechen. Sie hat schon ganz andere Krisen hinter sich. Gerade in Ostdeutschland sorgt ihre Verankerung in den Kommunen und Landtagen für Stabilität.

In Dresden revoltieren aber doch genau diese Lokalpolitiker. Sie werfen Lafontaine vor, ideologische Symbolpolitik statt Realpolitik zu machen.

Dresden ist ein sehr spezieller Fall. Dort sitzen Politiker wie Christine Ostrowski, die die Westausdehnung der Partei schon immer abgelehnt haben. Sie wollten eine ostdeutsche Volkspartei, eine Ost-CSU mit einer Art Barfuß-Sozialismus. Das heißt eine Politik, die immer wieder nach dem Wunsch des Wählers fragt und sich vollkommen unideologisch danach ausrichtet. Außerdem ist der Landesverband Sachsen auch ein besonderer, mit heftigen persönlichen Konflikten und einem Generationenstreit.

Aber die Dresdener sind doch nicht die einzigen Unzufriedenen, oder? Der Linke-Europaabgeordnete André Brie hat den Kurs seiner Partei ebenfalls als zu dogmatisch kritisiert.

Um Bries Position richtig einzuschätzen, sollte man vergessen, dass er mit Ingrid Mattern verheiratet ist, einer der Abweichlerinnen von Dresden. Hier zählen seine Erfahrungen mit Aus- und Fortwirkungen ideologischer und kultureller Relikte der SED-Zeit in der PDS und mit der Kritik an seinen Positionen. Die große Unzufriedenheit mit Lafontaine äußerte sich auch im Konflikt zwischen ihm und der Berliner Linken, die er so lange wegen deren Regierungsbeteiligung kritisiert hat, bis sie ihn zur Disziplin aufforderten. Außerdem geht es um Geld.

Wieso?

Ja, ein banaler, aber wichtiger Punkt. Der Aufbau der Partei im Westen kostet große Summen. Bei der früheren WASG gab es rund 11.000 Mitglieder, die im Durchschnitt einen Monatsbeitrag von 6,61 Euro zahlten. Einige tausend haben das in den letzten Monaten schon nicht mehr getan. Den Aufbau West bezahlt faktisch allein die Ex-PDS. Das fördert in der Ost-Linken natürlich den Unmut über einen laut auftretenden Oskar Lafontaine und die nicht viel leisere WASG.

Konflikte gab es ja nicht nur zwischen Lafontaine und der Berliner Linken, er legte sich auch mit dem Landesverband Sachsen-Anhalt an.

Ja, denen war Lafontaines Fokussierung auf Arbeitnehmer, Arbeitslose und Rentner zu eng. Sie forderten auch ökologische und feministische Positionen und mehr als nur Neoliberalismuskritik ein. Aber selbst die scharfen Lafontaine-Kritiker in Berlin werden sich auf keinen Fall hinter den Dresdener Abweichlern versammeln.

Warum nicht?

Zum einen fehlt es den Betreffenden einfach an bundespolitischem Gewicht. Zum anderen verspricht eine Spaltung keinen Erfolg. Zwar gibt es genug vergnatzte Parteimitglieder, doch die meisten sind diszipliniert. Und wer rausgeht, dem droht Heimatlosigkeit. Auf Dank für die Aufbauarbeit im Landesverband dürfen Christine Ostrowski und die ihren nicht hoffen. Eher wird man ihnen vorwerfen, die Chancen der Partei zu schmälern. Es hat sich auch niemand von den künftigen Führungspersönlichkeiten hinter die Dresdener Rebellen gestellt - von Katja Kipping bis Bodo Ramelow gab es im Gegenteil scharfe Kritik.

Die Lafontaine-Kritiker hoffen also darauf, in der Partei etwas zu erreichen?

Ja. Die noch ausstehende Debatte des Parteiprogramms wirkt als Beruhigungspille. Bis 2009 soll sie dauern, und die Kritiker hoffen, sich dort einzubringen. Wer die früheren Programmdiskussionen der Linken kennt, weiß, dass diese Hoffnungen sogar berechtigt sind. Das neue Programm wird wahrscheinlich ähnlich wie Distelfink aussehen - schön bunt. Was die Linke dann tatsächlich ausmacht, wird vor allem an der praktischen Politik zu erkennen sein.

Hätte eine abgespaltene pragmatische, spezifisch ostdeutsche Partei denn Chancen?

Überregional wohl kaum. Woher soll eine solche Partei ihre Strahlkraft nehmen? Die Unterschiede zur SPD und zur Linken würden nur in kommunalpolitischen Entscheidungen deutlich werden. Daraus kann eine kommunale Wählergemeinschaft werden, mehr ist schwer vorstellbar.

Also ist die Zukunft der Linken tatsächlich so golden, wie es die verkündeten 4.000 Neumitglieder vermuten lassen?

Diese Zahl würde ich mit Vorsicht betrachten, da sind sicher Doppelmitgliedschaften dabei. Und mir liegen Zahlen vor, dass etwa ebenso viele WASG-Mitglieder nicht in die fusionierte Linkspartei gegangen sind. Aber insgesamt sieht es für die Linkspartei nicht schlecht aus. Es stehen Wahlen an und die disziplinieren immer, weil viele Leute natürlich auf Mandate hoffen oder auf einen Job als Mitarbeiter einer Fraktion. Alle in der Bundesspitze wollen bis zu den Wahlen 2009 Einigkeit zeigen. Danach mag es in der Linken mal wieder richtig kriseln, denn die Konflikte bleiben. Bis dahin aber hat sich die Linke zum Erfolg verdammt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.