Fernsehen: Pfeif doch auf den Gärtner
Die "Unter Verdacht"-Krimis sind bemerkenswert anders - "Hase und Igel" ist dafür ein Beispiel.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, einen Krimi zu schreiben. Eine geht so: Der Kommissar verkehrt in Bogenhausener Villen und fragt sich, ob der Mörder nun der Fabrikant, seine Frau, seine Geliebte oder der Buchhalter war. Am Ende war es der uneheliche Sohn des Gärtners. Diese Form war früher, als der ZDF-Fernsehkrimi den unantastbar wirkenden "Who done it"-Plot Woche für Woche nur geringfügig variierte.
Dass es andere Möglichkeiten gibt, beweist das ZDF spätestens seit diesem Jahr: Die Serie "KDD - Kriminaldauerdienst" setzt nicht nur senderintern neue Maßstäbe. Schon seit 2002 aber ermittelt Senta Berger als Kriminalrätin Dr. Eva Maria Prohacek in der Reihe "Unter Verdacht". Wie in "KDD" sind auch in dieser Reihe schon bemerkenswert "andere" Krimis entstanden. Wer Rätsel raten will, ist hier falsch - denn die Frage nach dem Wer des Täters stellen sie nicht.
Für Rätselrater also: Wie wärs mit "Wer wird Millionär"? Für Liebhaber kluger Krimis aber: "Unter Verdacht" gucken.
In diesen Krimis ist die Welt ganz und gar nicht in Ordnung. Immer geht es um Korruption in den höchsten Kreisen der bayerischen Wirtschaft und Politik, um Amigos und Spezln. Immer ist Prohaceks Chef in der Münchner Abteilung für innere Ermittlungen, Dr. Claus Reiter (herrlich zynisch verkörpert von Gerd Anthoff), verstrickt. Immer bringt Prohacek darin Großkopferte zu Fall. Und doch ist das Ende irgendwie immer unbefriedigend.
Der Film "Hase und Igel" (Fr. 10.08.07, 20.45 Uhr, Arte) von Ed Herzog beginnt mit dem Mord an einer Fahnderin des Arbeitsamtes, die gegen die Schwarzarbeiter- und Schleuserszene ermittelt. 13 Jahre später wird der ehemalige Hauptkommissar Thomas Sell (Christoph Waltz) aus dem Gefängnis entlassen. Schnell wird klar, dass ihm die Tat damals nur in die Schuhe geschoben wurde - und der seinerzeit für die Mordkommission ermittelnde Polizeibeamte heißt: Claus Reiter. Sell war sein Hauptkonkurrent um die freie Stelle des Kommissariatsleiters. Um Sell nach seiner Entlassung von einem Akt der Selbstjustiz abzuhalten, muss sich Kriminalrätin Prohacek auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit ihm um die Überführung der wahren Täter einlassen.
Es ist eine Herausforderung, Senta Berger und Christoph Waltz dabei zu verfolgen - aber der Lohn ist Unterhaltungsfernsehen auf höchstem Niveau. Wirklich herausragend sind die Dialoge. Autor Wolfgang Stauch hat sich für eine stilisierte und präzise Kunstsprache entschieden, mit deren Hilfe die Protagonisten sarkastische Spitzen aufeinander abfeuern. Dazu kommt die Lakonie. Es ist wunderbar zu sehen, wenn Sell nach seiner Entlassung allein vor dem Gefängnis steht und sagt: "Ist wirklich rührend, dass ihr alle gekommen seid."
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