EU-Energiepolitik: Kampfansage an die Energiekonzerne
Wie ein öffentlich gewordener Gesetzentwurf zeigt, macht die Europäische Kommission Ernst mit ihrem Vorstoß, den Strom- und Gasproduzenten ihre Netze wegzunehmen.
Die Europäische Kommission macht Ernst: Trotz vehementer Proteste aus Deutschland, Frankreich und einigen anderen Mitgliedsstaaten fordert die Brüsseler Behörde, Energieversorger und -netze voneinander zu trennen. Das geht zumindest aus einem internen Papier hervor, das am Donnerstag teilweise öffentlich wurde. Danach müssten die Produzenten von Strom und Gas die Kontrolle über ihre Netze an unabhängige Betreiber abtreten.
Bereits im Januar hatte der EU-Energiekommissar Andris Piebalgs gemeinsam mit der Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes eine solche Initiative angekündigt. Jetzt soll die Kommission am 19. September über den konkreten Vorschlag abstimmen.
Die Kommission wollte sich zu dem Papier am Donnerstag nicht weiter äußern: "Es gibt einen Vorschlag, der zurzeit von den einzelnen Abteilungen in der Kommission geprüft wird. Der Inhalt wird erst bekannt gegeben, wenn es eine endgültige Entscheidung von allen Kommissaren gibt", sagte Piebalgs Sprecher Ferran Tarradellas Espuny in Brüssel. Allerdings bestätigte er, dass die Kommission die Trennung von Produzent und Netzbetreiber befürwortet: "Wir halten das für eine gute Lösung, um privaten Anbieten den Zugang zum Strommarkt zu ermöglichen."
Denn, so heißt es aus der EU-Kommission, eine umfassende Branchenanalyse habe ergeben, dass die bisherige Liberalisierung nicht die gewünschten Erfolge gebracht hat. So kontrollieren in Deutschland gerade einmal vier Konzerne 80 Prozent der Stromproduktion und die gesamte Stromübertragung. Die Energiepreise liegen sogar noch höher als vor der Liberalisierung 1999. Die Europäische Kommission plant nun in fünf Richtlinien und Verordnungen, die Eigentumsverhältnisse aufzuspalten. Die Produzenten sollen die Möglichkeit bekommen, ihre Netze entweder zu verkaufen oder aber treuhänderisch von einem unabhängigen Betreiber verwalten zu lassen. Dieser Betreiber hätte dann auch die Entscheidungsbefugnis zum Beispiel über einen möglichen Ausbau der Netze und würde von der EU-Kommission kontrolliert.
Darüber hinaus soll nach dem Willen der Brüsseler Behörde der gesamte Großhandel intensiver überwacht werden. Die nationalen Regulierungsbehörden - in Deutschland wäre das die Bundesnetzagentur - sollen unabhängig von den Regierungen arbeiten und von einer europäischen Regulierungsstelle koordiniert werden. Die Produzenten müssten dort Preise, Handelsmenge und Vertragslaufzeiten melden.
Von Verbraucherschützern bekommt die Europäische Kommission Rückendeckung: "Die Konzerne bauen die Netze ausschließlich nach eigenen Interessen aus. Das wäre mit einem unabhängigen Betreiber anders", sagt Holger Krawinkel von der Verbraucherzentrale in Berlin. Auch einige Mitgliedsländer, allen voran Großbritannien, befürworten die Kommissionspläne. Auf der Insel, aber auch in den Niederlanden, Italien, der Slowakei und Slowenien sind Stromproduktion und Netzbetrieb bereits getrennt.
Die Kommissionsvorschläge können nur umgesetzt werden, wenn sich eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten dafür ausspricht. Vor allem die großen Länder Deutschland und Frankreich lehnen die Trennung ab. Dort kontrollieren nach wie vor einige wenige Konzerne den Markt. Die großen Unternehmen wie Eon oder RWE fürchten durch die Trennung im europäischen Wettbewerb Marktkraft zu verlieren. Die EU-Kommissare müssen sich also auf einen heftigen Schlagabtausch mit den Mitgliedsstaaten einstellen.
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