Polen: "Erst die Wahrheit, dann die Wahlen!"

Der polnischen Opposition ist ein Untersuchungsausschuss wichtiger als baldige Neuwahlen.

Untersuchungsausschuss gefordert: Polnisches Parlament Bild: dpa

WARSCHAU taz Niemand in Polen wagt derzeit vorherzusagen, ob es im Herbst tatsächlich zu vorgezogenen Neuwahlen kommt. Zwar haben alle Parteien bereits mit dem Wahlkampf begonnen, doch je näher der 7. September rückt, um so unwahrscheinlicher wird es, dass sich das Parlament an diesem Tag tatsächlich selbst auflöst. Immer lauter wird stattdessen der Ruf nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Dieser soll klären, ob sich die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) des Machtmissbrauchs schuldig gemacht hat.

Unter Verdacht geraten sind Regierungschef Jaroslaw Kaczynski und Justizminister Zbigniew Ziobro, nachdem die Antikorruptionsbehörde einen Korruptionsskandal inszeniert hatte, um den Koalitionspartner der PiS, die populistische Samoobrona, zu diskreditieren. Die mit geheimdienstlichen und polizeilichen Vollmachten ausgestattete Behörde untersteht direkt dem Premierminister. Die Opposition wüsste nun gerne, welche Minister, Abgeordneten und Journalisten mit Wissen von Ziobro und Kaczynski abgehört wurden und warum die ehemalige Ministerin Barbara Blida bei ihrer Verhaftung Selbstmord beging.

Die PiS versucht mit allen Mitteln, diesen Untersuchungsausschuss zu verhindern. Doch der Druck auf sie nimmt zu. Ob also zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Zweidrittelmehrheit für die Selbstauflösung des Sejms zustande kommt, ist zweifelhaft. So fordert das Bündnis der demokratischen Linken: "Erst die Wahrheit, dann die Wahlen."

Für den Fall, dass sich das Parlament nicht selbst auflöst, hatte Ministerpräsident Kaczynski schon vor Wochen angekündigt, mitsamt seiner Regierung zurückzutreten. Doch die Umfragewerte für seine Partei werden immer schlechter. Am Mittwoch machte Kaczynski den Rücktritt von der grotesken Bedingung abhängig, dass die größte Oppositionspartei, die liberale Bürgerplattform, garantiert, weder mit den bisherigen Koalitionspartnern der PiS noch mit den Postkommunisten eine neue Regierung zu bilden. Die Wähler aber wünschen sich Neuwahlen. Nur elf Prozent würde es begrüßen, wenn Jaroslaw Kaczynskis bis 2009 weiterregiert.

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