Rechtsexperte Ipsen: "Die Demokratie muss sich wehren"

Für ein Verbot spielt es keine Rolle, dass die NPD in mancherorts über 30 Prozent der Stimmen einfährt, sagt Rechtwissenschaftler Jörn Ipsen. Wichtig sei, ob sie verfassungswidrig ist - und dafür spreche einiges.

Hilft ein Verbot? Bild: dpa

taz: Herr Ipsen, die Bundesregierung diskutiert, ob die NPD verboten werden sollte. Was würde im Fall eines solchen Verbotes denn aus den Posten der NPD in Landtagen und Kommunalparlamenten werden?

Jörn Ipsen: Die NPD würde sämtliche Mandate zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung durch das Bundesverfassungsgericht verlieren.

Würden die NPD-Sitze in den Parlamenten neu besetzt?

Nein. Diese Sitze würden schlicht und einfach wegfallen. Die Parlamente würden schrumpfen.

Hat es das in Deutschland schon mal gegeben?

Ja, beim Verbot der Sozialistischen Reichspartei. Die SRP verlor 1952 auch alle ihre Mandate. Damals urteilten die Verfassungsrichter: Man muss verfassungsfeindliche Parteien insbesondere dort bekämpfen, wo sie ihren größten Einfluss haben - also in den Parlamenten.

Wie ließe sich ein solches Verbot mit dem Wählerwillen vereinbaren? Der ist doch auch ein hohes Verfassungsgut

Zweifellos. Aber wenn ein Wähler für eine verfassungswidrige Partei stimmt, wählt er eine Zielsetzung, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar ist. Der Grundsatz der wehrhaften Demokratie besagt: Solche Wähler und Parteien sollen nicht an der politischen Willensbildung teilhaben.

Wie wollen Sie eine solche Entscheidung den Wählerinnen und Wählern in Orten vermitteln, wo mehr als dreißig Prozent die NPD gewählt haben?

Hierbei handelt es sich zumeist um Protestwähler, nicht um ein eigentlich rechtsradikales Potenzial. Deshalb könnte ein Verbotsverfahren ein wichtiges Signal sein: Die Bürgerinnen und Bürger müssten sich wieder Parteien zuwenden, die das Grundgesetz achten.

Sie fänden es also unproblematisch, so vielen Wählern ihre Partei vor der Nase weg zu verbieten?

Selbstverständlich. Das ist keine Frage der Zumutbarkeit. Wenn ein Bürger eine verfassungswidrige Partei wählt, dann müssen wir ihm die Teilhabe an der politischen Willensbildung verwehren. So steht es im Grundgesetz. Das nennen wir wehrhafte Demokratie. Unsere Parlamente sollen nicht dazu missbraucht werden, verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen.

Könnte das Verbot nicht zu einem Märtyrerstatus für die NPD führen?

Verfassungsfeinde sind keine Märtyrer. Im Übrigen haben wir beim SRP- wie auch beim KPD-Verbot die Erfahrung gemacht: Solche Bewegungen werden durch ein Parteiverbot ganz erheblich geschwächt.

Würden Sie sich persönlich ein Verbot der NPD wünschen?

Die Frage ist nicht, ob das wünschenswert ist oder nicht. Die Frage ist, ob die NPD programmatisch und dem Verhalten ihrer Anhänger nach verfassungsfeindlich ist. Wenn sich an den Erkenntnissen der Regierung seit ihrem letzten Verbotsantrag nichts geändert hat, dann spricht vieles dafür, dass es sich bei der NPD tatsächlich um eine verfassungswidrige Partei handelt.

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