6 Jahre 9/11: Der General "betrügt uns"

US-Oberkommandierender will sich ein bisschen aus dem Irak zurückziehen. Kritiker verspotten Petraeus als "Betray Us".

General David Petraeus, genannt "Betray Us" Bild: dpa

WASHINGTON taz. Schon lange bevor der US-Oberbefehlshaber im Irak, General David Petraeus, am Montag dem Parlament seinen Bericht ablieferte, verkündete der oberste Kriegsherr, Präsident George W. Bush, dass seine Offensive dort "zahlreiche substanzielle Erfolge" vorzuweisen habe. Dennoch ließen sich beide Antiterrorkämpfer herab, noch vor der Debatte im Kongress durchsickern zu lassen, dass ein Teilrückzug der US-Truppen eventuell im Dezember beginnen könnte: Bei einer weiteren Stabilisierung der Lage im Irak könnten dann US-Soldaten heimkehren - rund 4.000 von 168.000, berichtete die New York Times.

Der Petraeus-Bericht wurde von etlichen anderen Evaluierungen der "Surge" (Flut) genannten US-Offensive im Irak konterkariert. So schwärmten der General und sein Präsident, dass die Gewalt im Irak "erheblich eingedämmt" sei. In den zuvor an irakische Al-Qaida-Kämpfer verlorenen Regionen al-Anbar und Bakuba machten sunnitische Scheichs und extremistische Sektierer nun "gemeinsame Sache" mit den Amerikanern und der Regierung in Bagdad. Selbst der politische Versöhnungsprozess zwischen den verfeindeten irakischen Lagern sei "auf einem guten Weg". Senator Lindsey Graham wurde eingespannt, um eine sehr aufwendige PR-Kampagne des Weißen Hauses zu begleiten, die den Patraeus-Bericht vorab interpretiert. Tenor: Die wankende Heimatfront darf den erfolgreichen Truppen nicht in den Rücken fallen, indem sie auf Rückzug drängt.

David Petraeus, 54, gilt als einer der ersten Intellektuellen in der US-Army. Er wurde von der Offiziersakademie West Point an die Uni Princeton abgeordnet, um zu promovieren. Petraeus ist auch Krieger, er führte die 1. Luftlandedivision bis Bagdad. Im Februar übernahm er das Oberkommando über die US-Truppen - als der letzte Mann Bushs. Wenn jemand über große Niederlagen der USA Bescheid weiß, dann Petraeus. Seine Doktorarbeit hat den Titel: "Lehren für das Heer aus dem Vietnamkrieg". DPA

Wesentlich skeptischere Einschätzungen wurden dabei in den Hintergrund gedrängt. Etwa der Bericht der Kontrollbehörde des Kongresses, der zu dem Schluss kam, dass Bagdad 3 von 18 Prüfsteinen für militärische und politische Fortschritte im Irak nicht erfüllt habe. Auch 16 US-Geheimdienstbehörden bescheinigten der Offensive nur "bescheidenen Fortschritt" bei der Aufstandsbekämpfung. Eine Militärkommission des Parlaments befand, die irakische Staatspolizei sei von Milizen in ihre Gewalt gebracht und "unbrauchbar". Und Reporter der Washington Post recherchierten einem Lieblingsprojekt von General Petraeus nach, das er im August sämtlichen durchreisenden US-Kongressabgeordneten vorzeigte, um die "enorm verbesserte Sicherheitslage in Bagdad" zu illustrieren: dem wiedereröffneten Markt in Dora. Als die Politiker und US-Soldaten in Kompaniestärke gegangen waren, schlossen die Händler ihre Geschäfte und erzählten, sie hätten pro Laden 1.500 Dollar bekommen, um "Staub" zu verkaufen.

Prompt schaltete MoveOn.org, eine führende Antikriegsgruppe, in der New York Times Anzeigen mit einem Bild von Petraeus als "General Betray Us" - General Betrüg uns. Der verräterischer Militär sei "permanent im Krieg - mit den Fakten".

Zugleich berichteten aber auch Demokraten von militärischen Erfolgen im Irak. So sagte der demokratische Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses, Joseph Biden, am Montag: "General Petraeus sagt die Wahrheit, es gibt einige taktische Gewinne" - aber, betonte er, "alle militärischen Erfolge sind irrelevant, solange es keine politischen Erfolge gibt, die es den amerikanischen Truppen erlauben, nach Hause zu kommen, ohne Chaos zurückzulassen".

Dass der politische Versöhnungsprozess im Irak nach wie vor "frustrierend" ist, haben auch der General und sein Präsident eingestanden. Deshalb bleibt dieser undankbare Part im Rapport an das Parlament dem amerikanischen Botschafter in Bagdad, Ryan Crocker, überlassen. Und das Weiße Haus klammert sich derart an die Fortschrittsberichte von Petraeus, dass der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, am Montag schon vorab abwinkte: "Das ist nicht sein Report, das ist Präsident Bush's Report."

Tatsächlich befindet sich der US-Oberkommandierende im Irak in heftigem Konflikt mit seinem militärischen Vorgesetzten, Admiral William J. Fallon. Der plädiert schon länger dafür, die US-Truppen im Irak zu reduzieren - um endlich Kapazitäten für all die anderen Fronten im Antiterrorkampf, namentlich in Afghanistan, zu haben. Hinzu kommt der Druck seines politischen Vorgesetzten, dem unwilligen Kongress zumindest einen Anfang vom Ende des Irakfeldzugs in Aussicht zu stellen. So lenkte Petraeus nun ein und ließ noch vor seinem Erfolgsbericht an das Parlament streuen, er könne eventuell schon in diesem Jahr möglicherweise auf eine von 20 kämpfenden Brigaden verzichten: auf 4.000 der für die "Surge" aufgestockten 30.000 Soldaten.

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