die wahrheit: Kammerjäger im Einsatz

"Das hört sich gar nicht gut an, Mam." Nothnagel rümpft die Nase, der Bic kreist flink zwischen den Fingern der linken Hand, die Füße ruhen auf dem Schreibtisch....

... Der Hörer fällt auf die Gabel. Ein kleiner Ruck des Kopfes in Richtung Assistent, dann zur Tür. Sekunden später steht Piet Schradt, Nothnagels rechte Hand, mit einsatzbereitem Vertilgungskoffer neben dem Kammerjäger.

"Ich hab ja immer aufgepasst, dass die mir nicht hier reinkommen, und jetzt das! Sie kriechen aus allen Löchern, alles ist voll", grüßt jammernd die Hausherrin, "die Küche ist " Ihr Gewimmer ignorierend, schiebt Nothnagel die Lady sanft beiseite und tritt ins Wohnzimmer. Der Blick schweift routiniert über Couchtisch und Ikea-Regalwand. Scheinbar wahllos zieht er ein Buch heraus und hält es mit einem anklagenden Nicken der feinen Dame unter die Nase. "Damit locken Sie sie an", brummt er, "das klebrige Gesülze über neue deutsche Identität oder unverkrampften Patriotismus ist der größte Krampf. Da können Sie gleich Zucker verstreuen und sich dann über die Ameisen wundern." - "Wer auf den Teppich scheißt, darf sich über die Fliegen nicht beschweren", ergänzt Piet beflissen, erntet aber Nothnagels missbilligenden Blick. "Sorry Mam, ab und zu rutscht ihm die Metapher aus." Trotzig blättert der Assi weiter und zieht immer wieder vorwurfsvoll die Augenbrauen hoch. In regelmäßigen, kurzen Abständen klatscht ein Heft oder Buch nach kurzem Flug auf den Couchtisch, wo sich bereits ein ansehnlicher Stapel gebildet hat.

"Hier Chef! Wie vermutet." Triumphierend präsentiert Piet ein Wochenmagazin, und schon landet es in der fangbereiten Hand des Kammerjägers: Der Spiegel. Angewidert und mit spitzen Fingern hat er einen Leitartikel des Kulturchefs Matthias Matussek aufgeschlagen. "Leitkulturdebatte, Schwarz-Rot-Geil-Gestammel, Endlich-auch-mal-Flagge-zeigen-dürfen-Geseier, Die-anderen-tun-es-auch-Geblöke. Das ist so was von verseucht. Weg damit!"

Hilfesuchend stöbert die Herrin des Hauses im Stapel herum. "Aber das hier, der Thierse, der ist doch SPD und absolut unverdächtig. Er warnt hier vor wirtschaftlichem Schaden durch " - "Das isses ja!", erklärt Nothnagel geduldig. "Das können sie sogar in der Süddeutschen nachlesen. Vielleicht meint der Herr das nicht so, aber eigentlich sagt er: 'Fremde klatschen ist nur dann schlimm, wenn es der Wirtschaft schadet. Würde es der Wirtschaft nützen, dann wäre alles prima.' Damit vertreiben sie keine Schädlinge. Im Gegenteil."

Mehrmals setzt die Hausherrin mit einem zögerlichen "Ja, aber " zu einer Rechtfertigung an, bricht aber wieder ab und stützt schließlich resigniert das Gesicht in die zitternden Hände. "Das ganze Gerümpel muss raus, auch wenns weh tut. Solange das hier rumsteht, fühlen die sich willkommen." Jetzt klingt Nothnagels Stimme streng. "Ich weiß nicht", zögert die feine Dame unsicher, doch die Kammerjäger haben sich bereits auf den Weg gemacht. Beim Rausgehen kickt Nothnagel wie zufällig, aber mit der Eleganz Rafael van der Vaarts beim Freistoß, einen Nazi per Vollspann vom Treppenabsatz und dreht sich noch mal kurz um. "Tja Mam Dann können wir leider nichts für sie tun."

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kari

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