Umweltpolitik: Der Weltklimaretter im Nachhinein
Altkanzler Gerhard Schröder präsentiert die deutsche Ausgabe des Klimareports - und sich selbst als wahren Öko
BERLIN taz In einem ist sich der Altkanzler wirklich treu geblieben: Unter keinen Umständen will Gerhard Schröder (SPD) sich in seine vermeintlich makellose Regierungsbilanz hineinreden lassen. Fragen im Anschluss an seine Einführung will er nicht zulassen: "Ich kenn euch doch", murmelte er den anwesenden Journalisten zu.
Es sollte der einzige humoristische Unterton einer Veranstaltung bleiben, die ansonsten überwiegend vom düsteren Vokabular der UN-Prognosen geprägt war. Gemeinsam mit Herausgeber und Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) stellte Schröder die deutsche Ausgabe des Weltklimareports vor, die die in diesem Jahr veröffentlichten Protokolle des "Intergovernmental Panel on Climate Change" (IPCC) auswertet und kommentiert.
Und Schröder, der einst seinen grünen Umweltminister in dessen Forschheit in die Schranken wies, wollte bei seinem Kurzauftritt allen klar machen, dass er immer schon ganz vorne war beim Thema Klimaschutz.
Offenbar schwer besorgt, dass nicht er sondern Kanzlerin Angela Merkel als Retterin des Weltklimas in die Geschichtsbücher eingehen könnte, verstieg sich Schröder in eine Lobeshymne auf die eigene Umweltpolitik. Unter seiner Führung habe Rot-Grün mit "18 Maßnahmen der ökologischen Modernisierung" für eine "wirkliche Wende" in diesem Bereich gesorgt, und zwar "gegen den heftigsten Widerstand von CDU/CSU".
Zu den wichtigen Vorleistungen für die Klimastrategie der jetzigen Bundesregierung zählte er unter anderem die Ökosteuer, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, den Emissionshandel und den Atomaustieg. Gelegentlich wundere ihn, dass "das alles in Vergessenheit" gerate.
All denjenigen, die noch immer am Klimawandel zweifeln, riet Schröder zur Lektüre des Buchs. Es mache deutlich, dass Erderwärmung, Gletscherschmelzen, Meeresspiegelanstieg heute keine "Übertreibung von hysterischen Umweltschützern" mehr seien. Durch den Report seien endgültig alle Zweifel am vom Menschen gemachten Klimawandel - "anthropogen, wie das so schön heißt" - wissenschaftlich beseitigt.
Und doch hätten die Details der Lektüre ihn zusätzlich beunruhigt. Etwa die Tatsache, dass 1,4 Milliarden Menschen unter Wassermangel litten. Oder die Halbierung der afrikanischen Ernteerträge im Falle eines Temperaturanstiegs um zwei Grad auf dem Kontinent. Er müsse gestehen, dass ihm "die Dramatik in dieser Dimension auch nicht bekannt war".
Was es jetzt noch brauche, seien "rigorose Emissionsgrenzen". Spätestens da juckte es manchem im prall gefüllten Saal in den Fingern, den Aufsichtsratsvorsitzenden der Pipeline-Gesellschaft Nord Stream, Gerhard Schröder, zu fragen, was wohl seine Firma dazu sagen würde. Aber genau für diesen Fall hatte der ja vorgesorgt.
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