„Es geht um den Austausch“

LEHRE Das kulturpolitische Institut der Uni Hildesheim ist mit einem Unesco-Lehrstuhl ausgezeichnet worden. Der Leiter Wolfgang Schneider über Kunst ohne Förderung und urdeutsche Veranstaltungen

■ 58, ist unter anderem Leiter des Unesco-Lehrstuhls, der die Rolle des Künstlers in politischen Umbrüchen erforschen soll.

taz: Herr Schneider, Sie haben gestern zum Auftakt des Unesco-Lehrstuhls gesagt, dass es besonders Migranten leichter gemacht werden sollte, kulturelle Einrichtungen zu besuchen. Wird es Migranten besonders schwer gemacht?

Wolfgang Schneider: Was in unseren Kulturbetrieben angeboten wird, ist oft eine urdeutsche Veranstaltung und das steht in keinem Verhältnis dazu, dass wir ein Land der Zuwanderung sind.

Aber bei dem neuen Lehrstuhl geht es doch nicht um die deutsche Kulturlandschaft, oder?

Das ist richtig, aber gesellschaftliche Entwicklungen finden in Deutschland genauso statt wie in Mali oder in Algerien. Und wir haben in den nordischen Ländern auch die Verpflichtung, zu gucken, was könnte von Süd nach Nord kommen.

An was denken Sie da?

Bei uns gehen 90 Prozent der Fördermitteln an Kulturinstitutionen, wir müssen also nicht lernen, wie man Infrastruktur aufbaut, sondern wie man sie besser nutzen kann und dabei den ländlichen Raum nicht vergisst. Es gibt clevere Menschen in Afrika, die mit privaten Mitteln und Zivilgesellschaft da operieren, wo es keine öffentliche Kulturförderung gibt. Bei uns stagniert das. Es geht nicht darum, unser System 1:1 zu übertragen, aber auch nicht darum, unser System afrikanischen Verhältnisse anzupassen. Es geht um den Austausch.

Sie haben gesagt, der „arabische Frühling“ hätte gezeigt, dass Künste eine gesellschaftliche Bedeutung haben können. Wie sieht das denn bei uns aus?

Im niedersächsischen Landtagswahlkampf hat Kultur keine Rolle gespielt. Es kann nicht sein, dass die Länder den Kulturföderalismus wie eine Monstranz vor sich hertragen und dann interessiert es in der Politik keinen.

Glauben Sie, dass Sie da was drehen können?

Ich gehöre nicht der theologischen Fakultät an, sondern der kulturwissenschaftlichen. Aber ich würde meine Arbeit nicht machen, wenn ich nicht mit jungen Leuten zusammenarbeiten könnte, die auch immer ein Interesse daran haben, etwas zu gestalten.  INTERVIEW: ILK