piwik no script img

SchwedenDie Schule brennt

Das schwedische Bildungssystem steht vor einem Problem: Die SchülerInnen zündeln gern. Experten vermuten, dass Frust und Neugier Auslöser sind.

Szene an einer schwedischen Schule: Hier zündeln gerade die Eltern. : ap

Schweden hat mit einem kuriosen Phänomen zu kämpfen: Die Schulen im Land brennen. Im letzten Jahr wurden 500 Brandstiftungen gezählt. Tatsächlich dürfte sogar noch viel häufiger in den Klassenzimmern gezündelt werden. Denn in der Statistik sind nur die Fälle erfasst, in denen die Feuerwehr ausrücken musste.

Seit 1997 ist die Zahl der Brandstiftungen an schwedischen Schulen um 50 Prozent gestiegen. Landesweit werden die Kosten auf mindestens 32 Millionen Euro geschätzt. Die Schäden reichen von Rauchflecken in der Toilette bis zur Totalzerstörung des Gebäudes. Sehr häufig spielen die Schüler aber auch nur mit der Feuerwehr: 81 Prozent der Notrufe in Göteborg stellten sich hinterher als falscher Alarm heraus, der fast immer von Schülern vorsätzlich ausgelöst wurde.

In Deutschland hingegen ist dieses Phänomen vollkommen unbekannt. "Bei uns brennen keine Schulen", heißt es im Polizeipräsidium München. Auch bei der Polizei in Köln ist noch kein Fall aufgetreten.

In Schweden sind besonders die Schulen in den Großstädten Malmö, Göteborg und Stockholm betroffen. Dabei zeigt sich, dass es nicht nur in armen Stadtteilen brennt. "Es passiert überall, nicht nur in den sozialen Problemgebieten", sagt Katarina Olsson von Göta Lejon, der stadteigenen Versicherung von Göteborg.

Die meisten Feuer werden von Jugendlichen unter 18 Jahren gelegt. Nicht nur Jungen, auch Mädchen zündeln. Die Gründe liegen im Dunkeln. "Die Idee entsteht oft spontan und häufig in der Gruppe", hat Rechtspsychologin Perrin-Wallqvist von der Universität Karlstadt bei einer Schülerbefragung festgestellt. Sie vermutet, dass die Jugendlichen gelangweilt und frustriert sind. Die jährlichen Gesundheitsuntersuchungen zeigten, dass Depressionen, Angstkrankheiten und andere psychische Störungen bei den Schülern zunähmen. "Aber gleichzeitig wurden die Sozialpädagogen weggespart", klagt die Rechtspsychologin.

Im internationalen Vergleich gibt Schweden mit etwa 6,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts relativ viel Geld für die Bildung aus. In Deutschland hingegen sind es nur 5,2 Prozent, wie dem neuesten OECD-Bericht zu entnehmen ist. Dennoch ist das Bild auch in Schweden nicht ungetrübt. Zwar sollen möglichst alle Schüler nach der neunjährigen Grundschule auf das dreijährige Gymnasium wechseln. Doch tatsächlich verlassen rund 32.000 Schüler die Schule ohne Abschluss - das ist etwa ein Fünftel.

Unterdessen setzt die schwedische Brandschutzvereinigung darauf, die Schüler aufzuklären. "Die Kinder sehen im Alltag fast nie offene Flammen", sagt Malin Bengtsson. Mit "Feuerspielen" will sie den Jugendlichen zeigen, wie schnell sich ein Brand ausdehnen kann. Perrin-Wallqvist ist skeptisch: Auch bisher gab es schon Informationsveranstaltungen der Feuerwehr an den Schulen. "Das Ergebnis war eher kontraproduktiv", sagt sie. Denn hinterher nahmen die Brände sogar noch zu. "Die Schüler wollten offenbar ausprobieren, ob Feuer tatsächlich so gefährlich ist, wie die Erwachsenen behaupten."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen