Afghanischer Vize-Minister Khalid: "Brauchen 20.000 Polizisten mehr"

Afghanische Polizisten werden bevorzugt von den Taliban angegriffen. Manche laufen nach ihrer Ausbildung über, sagt der zuständige Vize-Minister.

"Zehn Polizisten pro Tag bei Angriffen verloren": Afghanische Polizeischüler in Kabul Bild: ap

taz: Herr Khalid, hat Afghanistan inzwischen genug eigene Sicherheitskräfte?

Abdul Hadi Khalid: Die Sollzahl von 62.000 Polizisten ist inzwischen erfüllt. Angesichts der verschlechterten Sicherheitslage brauchen wir aber mindestens 20.000 mehr. Im Mai haben wir, auch von Deutschland, die Zusage erhalten, dass diese zusätzlichen Polizisten ausgebildet werden.

Finden Sie genügend Bewerber?

Es ist schwer. Die Gehälter sind schlecht, und die Gefährdung ist enorm hoch. Die Taliban haben ihre Taktik geändert und greifen nicht mehr primär die Armee, sondern Polizeiposten, Schulen oder Märkte an. Wir haben in diesem Jahr pro Tag etwa zehn Polizisten bei diesen Angriffen verloren. Dazu kommt die schlechte Bezahlung. Bis vor kurzem hat ein Polizeioberst 85 Dollar pro Monat bekommen. Die internationale Gemeinschaft hat versprochen, uns auch bei den Gehaltszahlungen zu unterstützen, sodass wir die Gehälter allmählich anheben können. Ein großes Problem ist auch, dass die Polizisten nicht versichert sind. Wenn sie sterben oder verletzt werden, haben ihre Familien keine Sicherheit.

Stimmt es, dass viele Polizisten direkt nach ihrer Ausbildung wegen dieser schlechten Bedingungen den Dienst quittieren?

Es sind unter anderem auch die Sicherheitsdienste von ausländischen Firmen oder Organisationen, die uns die Leute abziehen, weil sie einfach höhere Gehälter zahlen. Und es gibt Überläufer zu den Taliban oder zu den Milizen von Drogenbaronen und Kriegsfürsten. Wir versuchen zwar, deren Milizen zu entwaffnen, aber sie sind noch immer eine große Bedrohung für uns.

Die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft wollten bis Ende dieses Jahres alle illegalen bewaffneten Gruppen auflösen . Halten Sie das für realistisch?

Das werden wir wohl nicht schaffen. Wir versuchen natürlich unser Möglichstes, um die Reformen im Sicherheitssektor und in der Justiz voranzutreiben. Das geht aber nur, wenn den Menschen parallel Arbeit und Perspektiven geboten werden. Nur so können wir die antidemokratischen Kräfte schwächen.

Angesichts der Macht, die die ehemaligen Warlords im Parlament haben, darf am politischen Willen zur Entwaffnung gezweifelt werden.

Daran ist auch die internationale Gemeinschaft schuld. Nach dem 11. September haben viele ehemalige Kämpfer der Nordallianz führende Polizeiposten eingenommen. Leider haben die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft zu lange die Augen davor verschlossen. Man hat die Polizei nicht davon gesäubert und aus ihr keine richtig professionelle Truppe gemacht.

Dem Innenministerium wird vorgeworfen, dass viele Beamte in den Drogenhandel involviert seien. Ganze Polizeidienststellen sollen in der Hand lokaler Clans sein, die ihr Geld mit Waffen und Drogen verdienen.

Wenn ein Polizeioberst 85 Dollar im Monat verdient, für seine Wohnung in Kabul aber 300 Dollar bezahlen muss, ist die Anfälligkeit für Korruption natürlich enorm hoch. Doch seit letztem Jahr ist viel in Bewegung geraten. Wir haben zum Beispiel 40 Polizeigeneräle entlassen. Auch im Ministerium wurden viele Posten neu besetzt. Doch Korruption bleibt natürlich eines unserer größten Probleme. Die vielen Jahre Krieg haben die Moral unserer Menschen zerstört. Es wird viel Geduld brauchen, diese wieder aufzubauen.

INTERVIEW: ANETT KELLER

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