Plötzlich geht alles ganz schnell

STADT Rot-Schwarz gibt im Hauptausschuss des Parlaments grünes Licht für das Liegenschaftskonzept des Finanzsenators. Die Opposition übt daran heftige Kritik

„Was der Senat hier anstrebt, bedeutet weniger Demokratie“

JUTTA MATUSCHEK, LINKE

VON SEBASTIAN PUSCHNER

Die Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik hat am Mittwoch zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Regierungslager und Opposition geführt. SPD und CDU gaben im Hauptausschuss überraschend dem von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) entworfenen Konzept „Transparente Liegenschaftspolitik“ ihre Zustimmung. „Damit haben sich die Regierungsfraktionen für etwas ausgesprochen, das sie eigentlich selbst nicht gut finden“, kritisierte der grüne Finanzexperte Jochen Esser.

Rot-Schwarz verfolgt eine Veränderung des Umgangs mit landeseigenen Grundstücken derzeit auf zwei Wegen: Einerseits haben die Fraktionen von SPD und CDU eine Änderung der Landeshaushaltsordnung beantragt, um dem Parlament damit mehr Macht zu geben, wenn es um die Verwendung von Flächen geht, im Gegensatz zu früheren Plänen auch bei solchen, die landeseigene Anstalten nicht mehr benötigen – wie zuletzt etwa beim Holzmarkt-Areal der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR). Zum anderen liegt seit Dezember das vom Senat abgesegnete Konzept Nußbaums im Hauptausschuss. Es soll die 2010 vom Abgeordnetenhaus beschlossene Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik in Verwaltungshandeln übersetzen.

Doch an diesem Konzept gibt es massive Kritik. „Wir entfernen uns damit meilenweit von den ursprünglichen Zielen“, sagte der Grüne Esser. „Was der Senat hier anstrebt, das bedeutet tatsächlich weniger Demokratie, mehr Intransparenz und eine noch stärkere Betonung von finanzpolitischen Zielen“, kritisierte die Linke Jutta Matuschek. Was den Abgeordneten nicht gefällt, ist der grundsätzliche Tenor des Papiers. Demnach soll ein bei der Senatsverwaltung für Finanzen angesiedelter Portfolio-Ausschuss alle Landesgrundstücke nach einem vorgegeben Raster einordnen: Welche braucht das Land gegenwärtig, welche wird es in den nächsten zehn Jahren benötigen und welche kann es verkaufen? Eine Veräußerung unter Marktwert, etwa nach einem inhaltlichen Konzeptverfahren für die künftige Verwendung eines Grundstücks, ist nur als Ausnahmefall vorgesehen. „Eine direkte Einbeziehung der Zivilgesellschaft ist nicht vorgesehen“, kritisierte Matuschek. Tatsächlich stehe das Konzept für eine finanzpolitisch optimierte Grundstückspolitik und nicht für einen politisch und partizipativ fundierten Paradigmenwechsel.

Ganz allein stand die Opposition mit ihrer Kritik anscheinend nicht: SPD und CDU nahmen die Senatsvorlage zwar billigend zur Kenntnis, verteilten aber vorher im Hauptausschuss ein Papier, das vier Punkte aufführt, die der Senat beachten soll. So soll er bei der Bewertung der Liegenschaften eine zusätzliche Kategorie für „Grundstücke mit Entwicklungsperspektive“ schaffen, die die Durchsetzung stadtentwicklungspolitischer Ziele ermöglicht. Derartiges sieht Nußbaums Papier bisher nicht vor.

Die Opposition bezweifelt, dass die von SPD und CDU aufgestellten Bedingungen den Senat binden. Was sie vor allem heftig protestieren ließ, war die Plötzlichkeit, mit der die Regierungsfraktionen ihren Segen gaben. In der Sprecherrunde einige Tage zuvor sei eine Vertagung in Aussicht gestellt worden, um da Thema später mit der Änderung der Landeshaushaltsordnung zusammen zu diskutieren. „Wir wollen nun endlich nach vorne kommen und diese Hängepartie in Sachen Liegenschaftspolitik beenden“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Thorsten Schneider.