Raus aus der Zukunft

War Funk je tot? Und wann hört die hingebungsvolle Beschäftigung mit früheren Dekaden auf, retro zu sein? Die zweite Frage ist kompliziert, denn sie läuft in der Regel auf Befunde hinaus wie den, dass unsere Zeit zwar das Nebeneinander von so ziemlich allem Möglichen aus der Vergangenheit (zumindest des 20. Jahrhunderts) kennt, aber sich von Kategorien wie dem Neuen oder dem Fortschritt mehr oder minder verabschiedet hat. Was weder falsch noch ein Drama ist. Doch wer weiß, wie die Sache in 20 Jahren aussieht?

Bei der ersten Frage fällt die Antwort dafür umso leichter. Sie lautet: Nein. Funk mag in seiner urtümlichen Form zwar vorübergehend aus der Mode gekommen sein, hat sich aber in vielerlei Gestalt bis in die Gegenwart retten können. House und Techno waren nur zwei seiner neueren Erscheinungsformen, und House ist das Genre, in dem sich der schottische Produzent Danny Berman alias Red Rack’em vornehmlich hervorgetan hat.

Während er den Funk auf seinen House-Platten gern mit überraschenden Details verfremdet, zelebriert der inzwischen von Nottingham nach Berlin gezogene Berman mit seinem neuen Projekt Hot Coins den rohen, unbehauenen Funk auf fast schon nostalgische Weise. Erdig rollende Bässe treffen auf trocken produzierte, leicht verschleppte Beats, die mal nach von Menschenhand gespieltem Schlagwerk klingen, mal deutlich als Drumcomputerklänge zu erkennen sind.

Das Rhythmus-Fundament stammt, wie die futuristisch verzuckerten Keyboards, von Danny Berman selbst. Für die genretypisch hellen Gitarrenriffs holte er sich hilfsweise Musiker hinzu, sogar ein Saxofon bekommt einen prominenten Gastauftritt. Eine Liveband – als logische Konsequenz – ist auch in Arbeit.

Trotz aller stilecht gewählten Zutaten hat man bei „The Damage Is Done“ nicht den Eindruck, hier rekonstruiere jemand einfach seine Wurzeln. Berman entwirft sich mit Hot Coins seinen ganz persönlichen, entwaffnend lässigen Funk, der auch ein wenig Humor vertragen kann, wie sein etwas schräger Gesang erkennen lässt.

Humor kommt zudem auf dem trashigen Coverfoto mit seiner Glamour-Persiflage zum Tragen – und in Bermans Künstlernamen: Red Rack’em ist eine Hommage an die von Berman leidenschaftlich verehrten „Tim und Struppi“-Comics. Auf Deutsch ist die Figur übrigens bekannt als Rackham der Rote, ein abenteuerlustiger Vorfahre Kapitän Haddocks.

TIM CASPAR BOEHME

■ Hot Coins: „The Damage Is Done“ (Sonar Kollektiv/Alive)