Kolumne Klatsch: Der Schlüssel zum Glück

Warum sind die Schwaben so erfolgreich? Ein Porsche-Manager verrät die Geheimnisse seines Volksstammes.

Mich wunderte dieser Tage zweierlei: Dass man a) im Zeitalter von Genforschung und Biometrie noch immer Türen mit einem steinzeitlichen Metallwerkzeug aufschließen beziehungsweise ins Zündschloss stecken muss. Jedenfalls bei Autos meiner Preisklasse muss man das. Obwohl es sich um einen Mercedes handelt, reagiert er nicht, wenn ich ein Codewort vor mich hinmurmle.

Weder an meiner unverwechselbaren Pupillengröße noch an meinem Fingerabdruck erkennt mein Wagen, dass ich vor ihm stehe und wegfahren möchte. Gut, ich weiß, es gibt diese kleinen Senderchen. Da blinkt das Auto so, wie der Schwanz eines Hundes wedelt, wenn sich sein Herrchen nähert. Aber da habe ich wohl an der falschen Stelle gespart, mein Mercedes ist noch ganz altmodisch: Schlüssel rein und drehen.

Bis ich gestern nur noch den abgebrochenen Stummel in der Hand hielt. Es war der einzige Schlüssel, den ich besaß. Ein einfacher Schlüssel, mit ein paar eingefrästen Kerben, nichts Besonderes. Wenn ich "Glück" hätte, sagte aber der Werkstattleiter der Mercedes-Niederlassung, könne er einen Ersatzschlüssel in vier Tagen liefern. Da wunderte ich mich zum zweiten Mal. Er benutzte wirklich das Wort "Glück" und erwartete offenbar auch noch, dass ich ihn für die schnelle Erledigung dieses Auftrages lobte. Vier Tage, um ein steinzeitliches Werkzeug herzustellen? Das jeder italienische Schuster in einer Viertelstunde aus einem Rohling fräst?

Ich war von der Weltfirma mit dem Stern schwer beeindruckt und fuhr heute Morgen seit langem einmal wieder mit Zug und S-Bahn ins Büro. Ich nahm ein Büchlein mit, das mich seit einigen Tagen begleitet. Es heißt "Gebrauchsanweisung für Schwaben" (Piper Verlag) und behandelt die Eigentümlichkeiten jenes Volksstammes, dem ich die Ehre habe anzugehören.

Geschrieben hat es kein Volkskundler, sonder der Manager und Porsche-Pressesprecher Anton Hunger. Porsche ist neben Mercedes die zweite schwäbische Autofirma, wobei mir nicht bekannt ist, wie lange sie dort für die Herstellung eines Autoschlüssels brauchen. Porsche will jetzt Volkswagen übernehmen, damit sie in Niedersachsen das Rechnen lernen.

Schriftliche Gebrauchsanweisungen für den Umgang mit den verschiedenen Volksstämmen und Ureinwohnern dieser Welt sind im Piper Verlag mittlerweile schon 57 erschienen. Von der "Gebrauchsanweisung für Tibet" bis zur "Gebrauchsanweisung für das Ruhrgebiet". Jetzt also die Schwaben.

Nein, keine Witze. Obwohl das neue ethnologische Standardwerk die Leser mit vielen lustigen Redewendungen und Anekdoten einstimmt, spürt man bei Hunger - der auch als mächtiger Einflüsterer seines Herrn Wendelin Wiedeking gilt - ein echtes Bedürfnis, seine Landsleute (und damit sich selbst) zu erklären. Bis Plochingen hatte ich die ersten sechs Kapitel durchgelesen. Das Buch fängt anekdotisch leichtfüßig an und wird mit jeder Seite etwas bärbeißiger, "bruddeliger", was aber im Schwäbischen durchaus charmant sein kann. Aufgeräumt wird von Hunger mit einem alten Vorurteil gegen Schwaben: Der Anteil der Eigenheimbesitzer ist nämlich in Württemberg nicht höher als in anderen Bundesländern. Der Titel der "Häuslebauer" gebührt laut Statistik vielmehr den Bayern oder den Niedersachsen. Dennoch spielt "schaffa" in dem gut 200 Seiten starken Büchlein eine gewichtige Rolle: Allein schon, um die vielen Tüftler und Erfinder aufzuzählen, braucht man Platz.

Was verdankt die Welt nicht alles ihren Schwaben: Das Auto, die Zündkerze, den Zeppelin und - für die "Kehrwoche" ganz wichtig - den Dampfstrahler der Firma Kärcher aus Winnenden. Nicht zu vergessen der gemeine Wanddübel, der Teddybär und die Mundharmonika. Warum das so ist, weiß Anton Hunger: Die Schwaben "sind fleißiger, geschickter, erfindungsreicher und in der Regel schneller als die anderen".

Offenbar ist Hunger noch nie ein Autoschlüssel abgebrochen. Jedenfalls kein Schlüssel von Mercedes.

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