Pakistan: Ja zur Wahl, Nein zum Ergebnis

Das Oberste Gericht gibt grünes Licht für die Präsidentschaftswahlen. Die Verfassungsrichter sichern Musharrafs Wiederwahl mit einem juristischen Spagat.

Grund zur Freude: Musharraf-Anhänger vor der Präsidentschaftswahl Bild: dpa

DELHI taz Die Entscheidung kam in letzter Minute: Pakistans Oberstes Gericht gab bekannt, dass die Präsidentschaftswahl durchgeführt werden darf. Mit der Bekanntgabe des Resultats müsse allerdings noch bis zum 17. Oktober gewartet werden. Erst dann werde es über die Einwände der beiden Gegenkandidaten von Präsident Musharraf ein Urteil fällen. Das Gericht hatte darüber zu befinden, ob Musharrafs Kandidatur verfassungskonform sei. Eine Reihe ähnlicher Rechtsgesuche waren zuvor aus Formgründen zurückgewiesen worden.

Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf will sich heute für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren als Staatschef wiederwählen lassen. Der Präsident wird von den Parlamenten auf nationaler Ebene und in den vier Provinzen bestimmt. Amtsinhaber Musharraf genügt eine einfache Mehrheit, wie sie seine Partei hat. Die meisten Abgeordneten der Oppositionsparteien haben ihre Mandate niedergelegt und werden die Wahl boykottieren. Expremierministern Benazir Bhutto, die der größten Partei DPP vorsteht, verhandelte bis zuletzt über eine Aussöhnung mit Musharraf. Musharraf, der sich am 12. Oktober 1999 an die Macht geputscht hatte, ernannte sich im folgenden Jahr zum Präsidenten. 2002 wurde er in einem Referendum mit über neunzig Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. (taz)

Deshalb hatte das ganze Land gespannt auf das richterliche Orakel gewartet. Musharraf hatte zwar gesagt, er werde das Urteil des Gerichts akzeptieren, aber viele Beobachter sahen in einem für ihn ungünstigen Urteil bereits eine Staatskrise heraufziehen. Dass Musharraf eine kalte Entmachtung goutieren würde, daran hatte in Pakistan niemand geglaubt.

Mit dem Urteil, die Wahl zuzulassen, ihr Resultat aber von der späteren Beurteilung der Petitionen abhängig zu machen, setzen sich die Verfassungsrichter nicht zum ersten Mal der Lächerlichkeit aus. Sollten sie in knapp zwei Wochen die Kandidatur Musharrafs für ungültig erklären, gerät die heutige Wahl zur richterlich angeordnete Farce. Bereits früher hatten sich die Verfassungshüter gedreht und gewendet, um die häufigen Eingriffe der Armee nachträglich zu rechtfertigen - sie benutzten dafür den Verfassungsparagrafen der "Doktrin der Notwendigkeit". Diesmal scheinen es die Gegner des Militärregimes zu sein, die weiterhin hoffen dürfen.

Neben Musharraf treten vier weitere Politiker zu Wahl an. Es sind dies Makhdoom Amin Fahim, ein Großgrundbesitzer und der Kandidat der Volkspartei von Benazir Bhutto, und Wajihuddin Ahmed, ein ehemaliger Verfassungsrichter, der von einem Anwaltskollektiv portiert wurde. Die beiden anderen Kandidaten sind Reservekandidaten von Musharraf und Fahim.

In Islamabad wurde in den letzten Tagen nicht nur um die Kandidatur Musharrafs gekämpft, sondern auch über den Amnestieerlass für Expremierministerin Benazir Bhutto gestritten, die am 18. Oktober ins Land zurückkehren will. Gestern verkündete ein Minister der pakistanischen Regierung, dass Bhutto und Musharraf ein "Versöhnungsdekret" unterzeichnet hätten. Zuvor hatte es mehrere Verhandlungsrunden mit der Führung der Regierungspartei "Pakistan Muslim-Liga(Q)" gegeben, die den Amnestieerlass hartnäckig ablehnte. Die Königspartei besteht zu einem großen Teil aus Abtrünnigen der beiden Parteien von Nawaz Sharif und Benazir Bhutto, die Musharraf mit der Verlockung von Pfründen zu sich herübergezogen hatte. Das Exil der beiden populären Politiker garantierte ihnen eine lange Zeit an den Futtertrögen der Macht. Mit einer Rückkehr der Exilierten ist dieses Arrangement gefährdet, umso mehr, als der Präsident in einem Fernseh-Interview hoch und heilig versicherte, die nächste Parlamentswahl werde "vollkommen fair und transparent" verlaufen.

Musharraf zog in diesem Gespräch mit dem privaten GEO-TV noch einmal alle Register, um sich als aufrechter Demokrat zu empfehlen. Er gab zu, dass der Geheimdienst ISI in der politischen Arena mitgemischt habe. Weder dieser noch die Armee sollten dort eine Rolle spielen, und die Armee sei nun "vollständig in die Kasernen zurückgekehrt".

Seit Monaten steht Musharraf in der Kritik, das abtretende Parlament - wo ihm eine Mehrheit sicher ist - als Wahlgremium zu wählen, statt die Parlamentswahl vorzuziehen und den Präsidenten vom neuen Parlament wählen zu lassen. Im Interview legte der Militärmachthaber den Schafspelz an. Er werde hoffentlich ein Vertrauensvotum einholen, so Musharraf. Vor seiner Vereidigung als neuer Präsident Mitte November werde er als Militärchef zurücktreten. Anfang der Woche hatte Musharraf den ehemaligen Geheimdienstchef Ashfaq Kiyani zu seinem künftigen Nachfolger als Armeechef ernannt.

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