kommentar: Wer bleiben will, muss fleißig sein

Die Härtefallkommission kennt kein Pardon: Wer schlechte Noten in der Schule hat, darf offenbar auch bei schwerer Krankheit abgeschoben werden.

Turgay Aydin ist kein Härtefall - sagt die Härtefallkommission. Aha. Turgay Aydin ist ein junger Mann, der fast sein ganzes Leben in Berlin gelebt hat. Der perfekt Deutsch spricht, aber kein Türkisch. Der schwer krank ist, aber voraussichtlich zur Armee eingezogen wird, sobald er türkischen Boden betritt. Aber all dies ist nicht so wichtig. Denn der junge Mann hatte schlechte Schulnoten! Das geht natürlich nicht! Ausländer, die hier leben wollen, müssen sich integrieren! Müssen deutsche Tugenden lernen, also fleißig sein und arbeitsam. Ach so, der Junge ist krank und kann nicht so, wie er gerne möchte? Das kann ja jeder sagen!

Spaß beiseite: Es ist bezeichnend, dass dieser Fall nicht als Härtefall anerkannt wird. Und das von einer Kommission, die es genau dafür gibt: als letzten Rettungsanker für Menschen, bei denen die Gesetze versagen, die aber dringende persönliche Gründe haben, warum sie hier bleiben müssen. Die Tatsache, dass nicht einmal diese Kommission einen solchen Menschen schützt, zeigt, dass das Nützlichkeitsdenken endgültig über die Menschlichkeit und den Schutz der Menschenrechte gesiegt hat.

Das ist zwar nichts ganz Neues: Seit dem sogenannten Asylkompromiss Anfang der 90er-Jahre sind die Ausländer-, Zuwanderungs- und Bleiberechtsdiskurse dominiert von Erwägungen, wer und was Deutschland nützt - und wie man diejenigen loswird, die vermeintlich nur Geld kosten. Bislang aber durfte man hoffen, dass nicht jeder diese Denkungsart teilt - vor allem nicht Kommissionen, die mehrheitlich aus Kirchenleuten, Vertretern von Wohlfahrtsverbänden und Flüchtlingsorganisationen bestehen. Das Verdikt über Turgay Aydin, der offenbar zu schlecht ist für dieses Land, zeigt, dass diese Zeit vorbei ist. Armes Deutschland!

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