Soziales Engagement: Armut macht die Spenden klein

Mit einer Aktionswoche wollen Wohlfahrtsverbände das Bewusstsein für wachsende Armut schärfen. Trotz Aufschwung steigt die Zahl der Bedürftigen. Hilfsorganisationen sind auf Spenden angewiesen.

Die Gedenkplatte liegt zentral. Kaum 200 Meter vom Reichstag entfernt erinnert sie daran, dass Menschen im Elend leben. Vor exakt 15 Jahren wurde sie im Parlament der Bäume installiert. Doch die breite Öffentlichkeit weiß kaum etwas davon.

Mit einer Aktionswoche wollen Wohlfahrtsverbände die Gesellschaft auf die wachsende Armut hinweisen. So zeigt etwas das "Zentrum Gitschiner 15" vom 16. 10. bis 12. 11. eine Ausstellung in der Passionskirche am Marheinekeplatz. Am weltweiten Aktionstag gegen Armut, dem 17. Oktober, soll um 10 Uhr eine Menschenkette vom Hauptbahnhof bis zum Bundespresseamt gebildet werden. Abends singt der Gospelchor "Different Voices of Berlin" mit Jocelyn B. Smith in der Heilig-Kreuz-Kirche.

Für Armut interessiert sich fast niemand. Das wollen Wohlfahrtsverbände und Kirchen nun mit einer Aktionswoche ändern - mit zahlreichen Veranstaltungen bis kommenden Mittwoch. Dann soll eine Menschenkette vom Hauptbahnhof bis zum Gedenkstein im Parlament der Bäume reichen.

20 Jahre zuvor, am 17. Oktober 1987, hatte die französische Armenbewegung ADT zum Protest nach Paris gerufen. 100.000 Menschen aus aller Welt kamen zum Trocaderoplatz und weihten das Original des Gedenksteins ein. 1992 wurde der 17. Oktober von den Vereinten Nationen als weltweiter Aktionstag anerkannt. Berlin bekam eine Kopie des Gedenksteins für das Baumparlament. An der Realität hat das jedoch wenig geändert.

Nach Angaben der Senatsverwaltung für Soziales leben rund 2.000 Obdachlose und 8.000 Menschen ohne eigene Wohnung in Berlin. Rasant steigt die Zahl derjenigen, die wegen zu geringer Rente auf eine Grundsicherung im Alter angewiesen sind - von 23.865 Ende 2005 auf über 30.000 im April 2007.

Projekte wie die Berliner Tafel, das Obdachlosenzentrum der Ärztin Jenny De la Torre in Berlin-Mitte oder das Projekt Gitschiner Straße 15 (siehe Interview) haben deshalb immer größeren Zulauf.

Sie finanzieren sich weitgehend durch Spenden. Selbst das seit zwölf Jahren bestehende Kinder- und Jugendzentrum "Die Arche" muss jedes Jahr eine Grundfinanzierung beim Bezirksamt Hellersdorf-Marzahn beantragen. Das gibt in diesem Jahr 18.000 Euro. Über 90 Prozent des Etats stammen von Privatleuten und Firmen. "Wegen unserer Bekanntheit geht es", sagt Sabine Nobitschek, die sich bei der Arche um die Finanzen kümmert. "Natürlich wäre es schön, ein festes Budget zu bekommen, aber Sicherheit gibt es heute keine."

Der Senat finanziert Projekte für Bedürftige über freie Wohlfahrtsverbände. Caritas, Stadtmission und ärztliche Einrichtungen erhalten 4 Millionen Euro jährlich. Sogenannte Kälteeinrichtungen werden von den Bezirken bezahlt.

Einige private Institutionen wie die Berliner Tafel verzichten bewusst auf staatliche Unterstützung - um diese weiter ergänzen zu können. "Bei einer Förderung durch die öffentliche Hand würden den Einrichtungen, die wir beliefern, die Mittel gekürzt", sagt Sabine Werth, Leiterin der Tafel, die überflüssige Lebensmittel sammelt und an Bedürftige weitergibt. Dass die Armut zunimmt, merkt Werth auch daran, dass die Spenden an die Tafel immer geringer werden: "Ganz viele geben unter 5 Euro."

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