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Armenier in der TürkeiArbeit im gehassten Land

Das armenische Ehepaar Kevork und Iskuhi arbeitet in dem Land, das den Genozid an den Armeniern leugnet. Über eine Ferien-Saison der vorsichtigen Annäherung.

Im türkischen Alltag fragt man nicht nach dem Armeniern. Man hält Antworten parat. Marktszene in Istanbul. Bild: ap

Wenn Kevork und seine Frau Iskuhi* geahnt hätten, dass ausgerechnet in diesem Sommer die nationalistischen Wogen in der Türkei wieder hochschlagen würden, dann hätten sie sich die Sache vielleicht noch mal anders überlegt. Vielleicht hätten sie dann die lange Reise von der armenischen Hauptstadt Eriwan bis in dieses Dorf an der türkischen Mittelmeerküste gar nicht angetreten. Aber jetzt ist es zu spät. Und genau genommen passiert ja auch nichts Schlimmes. Nichts Schlimmeres jedenfalls als dieser ständige Hauch von Angst.

Es ist das erste Mal, dass Iskuhi bei Türken arbeitet. Bislang war sie Hausangestellte bei einer armenischen Familie in Istanbul. Diese Familie hat sie nun an die türkischen Inhaber einer kleinen Pension weiterempfohlen. Iskuhis Familie stammt aus Erzurum in der Nordtürkei und ist in der Zeit der Armenier-Massaker von 1915 bis 1917 ins heutige Armenien geflohen. "Meine Großmutter hat immer wieder erzählt, was damals passiert ist", sagt Iskuhi. Zu mir sagt sie das, einer mutmaßlichen Christin, nicht zu ihren türkischen Chefs.

Kevorks Familie lebt hingegen seit jeher im heutigen Armenien, sie hatte nicht unter den Massakern zu leiden, aber auch er weiß Bescheid, denn der Genozid ist in Armenien so präsent wie der Holocaust in Israel. Insofern wäre es für die beiden wohl angenehmer gewesen, wenn sie irgendwo anders Arbeit gefunden hätten als ausgerechnet in der Türkei. Aber wo hätte das sein können? Europa ist verschlossen, und die anderen Kaukasusrepubliken sind ebenso arm wie Armenien. Blieb nur das Land, das den Genozid an den Armeniern leugnet.

Die beiden konnten aber immerhin hoffen, auf liberal eingestellte Leute zu treffen. Denn dass extrem nationalistische Türken ein Ehepaar aus Armenien beschäftigen würden, war kaum anzunehmen. Und tatsächlich ist das Verhältnis zu den Arbeitgebern gut. Die Chefin, eine resolute pensionierte Lehrerin aus Istanbul, ist froh, diese Städter mit Uniabschluss eingestellt zu haben anstelle der ländlichen Kurden, die bislang in der kleinen Pension für Ordnung sorgten. "Die beiden denken mit", vertraut sie mir an. "Sie arbeiten eigenverantwortlich. Und sie sind unheimlich nett. Ich habe sie richtig liebgewonnen." Natürlich arbeitet das Ehepaar sieben Tage die Woche, von morgens halb neun bis nachts um elf. Aber das ist im Tourismus hier so üblich. Und die Pensionsinhaber bezahlen ihnen mehr als den staatlichen Mindestlohn von monatlich umgerechnet 170 Euro, obwohl sie die beiden illegal Beschäftigten auch richtig ausbeuten könnten.

Die Saison geht zu Ende, es sind kaum noch Gäste in der Pension. Mittags setzt sich Ayda, die Chefin, mit Iskuhi an einen Tisch, sie trinken Mokka und rauchen. Abends versammelt sich alles um den Kamin, in dem ein Feuer lodert. Iskuhi pult Granatäpfel und verteilt die Kerne gerecht an alle. Kevork steht ab und zu auf und legt getrocknete Palmwedel ins Feuer.

Doch trotz aller Herzlichkeit werden die beiden ein vages Gefühl der Bedrohung nicht los. Kurz zuvor hatte die französische Nationalversammlung die Leugnung des Völkermords an den Armeniern unter Strafe gestellt, und dann ist auch noch der Schriftsteller Orhan Pamuk, der wegen seiner Anerkennung des Massenmords an den Armeniern in der Türkei vor Gericht gestanden hatte, für den Nobelpreis nominiert worden. "Wir haben Angst", gesteht Iskuhi. "Im Dorf wissen alle, dass wir Armenier sind." Einmal kommt der Bürgermeister zu Besuch und erkundigt sich angelegentlich nach dem Befinden der beiden. Es schwingt etwas Ungesagtes mit bei dieser Nachfrage. Ein Bemühen, besonders nett zu sein. Einerseits. Gleichzeitig aber geraten sie durch die Nachfrage ins Blickfeld, sie, die doch am liebsten unsichtbar bleiben würden in diesem 300-Seelen-Dorf.

Attila, ein Einheimischer, arbeitet als Fahrer für die Pension. Ein netter junger Mann mit derbem Witz und unkompliziertem Weltbild. "Morgen kommen zwei französische Gäste", sagt er zu Kevork. "Mit denen könnt ihr dann ja gemeinsame Sache machen." Kevork schweigt. Attila meint es nicht so. Aber eigentlich meint er es eben doch so.

Wenn unbekannte türkische Gäste fragen, woher die beiden stammen, gibt die Pensionswirtin je nach ihrer Einschätzung des Gastes unterschiedliche Antworten. Manchmal macht sie die beiden kurzerhand zu Russen. Manchmal meint die Pensionswirtin auch, die Gäste können die Wahrheit verkraften und sagt ihnen, die beiden Angestellten stammten aus Armenien. Dann breitet sich immer ein längeres Schweigen aus.

"Was ist eigentlich tatsächlich passiert, damals? War das wirklich Völkermord?", fragt eines Abends die pensionierte Lehrerin, als wir zusammen vor dem Kamin sitzen. "Uns hat man immer erzählt, es war Krieg, und auch die Armenier hätten Türken umgebracht." Mich fragt sie, als unbeteiligte Dritte sozusagen. Die beiden Armenier sitzen dabei und schweigen.

Dass sie fragt, ist erstaunlich genug. In der Türkei hält man zu diesem Thema vor allem Antworten bereit. Und zwar immer dieselben, mit kleinen Abweichungen. Eine liberale Version dieser Antworten rattert der Sohn der Pensionswirtin herunter, der ein paar Tage später aus Istanbul eintrifft, wo er Jura studiert. Zwar seien in der Tat Verbrechen an den Armeniern begangen worden, sagt er, und damit müsse man sich in der Türkei auseinandersetzen (das ist der liberale Teil der Argumentation), aber ein Völkermord sei das nicht gewesen, denn schließlich hätten die Armenier angefangen.

Die von den Vereinten Nationen aufgestellte Definition von Völkermord befasst sich nicht mit der Frage, wer angefangen hat. Darauf verweise ich den angehenden Juristen. Aggressiv fragt der junge Mann daraufhin den schweigenden Kevork, woher er denn wissen wolle, dass es ein Völkermord war. Aus Dokumentarfilmen im Fernsehen, antwortet der gequält. Kevork ist auf einmal zum Kronzeugen für die Genozidthese geworden, jetzt muss er den Genozid nachweisen, auf der Stelle. Iskuhi, Kevorks Frau, bringt das Thema auf Kevorks exzessiven Fernsehkonsum. Daraufhin stürzt sich die Runde erleichtert auf das Thema Fernsehsucht.

Am Tag darauf steht Kevork im Garten auf einer Leiter und schneidet mit einem scharfen Teppichmesser die toten Palmblätter ab. Am Fuß der Leiter stehen Ayda, die Pensionswirtin, und ihre Tochter Rüya und witzeln: Das Ehepaar könne sich ja jetzt mithilfe des Teppichmessers an ihnen für den Genozid rächen. Die beiden Armenier lächeln höflich. "Die Leute im Dorf fragen mich, wieso um Himmels willen ich ausgerechnet Armenier eingestellt habe", vertraut die Wirtin mir an. Ob das nicht gefährlich sei? Sie aber mache sich keine Sorgen und schließe auch nachts ihr Zimmer nicht ab.

Dann hat Kevork Geburtstag. 43 wird er. Den ganzen Tag steht Iskuhi in der Küche und bereitet ein Festmahl vor. Abends wird eine große Tafel gedeckt, an die setzen sich die Wirtsfamilie, der Fahrer Attila und das armenische Ehepaar. Kevork bekommt vom Sohn der Wirtin ein großes Glas Wodka eingeschenkt, die Chefin hält eine Rede auf ihn und kündigt an, das Paar in Eriwan besuchen zu wollen. Kevork hat Tränen in den Augen und sagt gerührt: "Was habe ich für ein Glück."

Die Betten werden abgezogen, die letzten Liegestühle weggepackt, das Haus winterfest gemacht; die beiden Armenier warten sehnlichst darauf, entlassen zu werden und nach Hause fahren zu können. Ayda pflückt voller Abschiedsschmerz Samen aus den Palmen. Die will Iskuhi in Eriwan in einem Blumenkasten auf dem Fensterbrett ausbringen und, wenn sie aufgegangen sind, einen Handel mit Babypalmen aufmachen. Dann braucht sie vielleicht nicht mehr im Ausland zu arbeiten.

Die beiden erwartet eine beschwerliche Heimkehr, denn die armenisch-türkische Grenze ist geschlossen; zu fliegen getrauen sie sich nicht: An Flughäfen sind die Passkontrollen zu scharf, und schließlich ist ihr Touristenvisum schon ewig abgelaufen. Sie werden den Nachtbus nach Istanbul nehmen. Von dort werden sie nach Georgien weiterfahren und von dort nach Armenien. In der Pension wird über diese lange Reise diskutiert. Auch ein paar türkische Gäste hören zu. "So ein Unsinn, dass die Armenier die Grenze geschlossen halten", sagt einer von ihnen. "An uns liegt es jedenfalls nicht. Sie bräuchten bloß auf diese dumme Forderung, dass wir den Völkermord anerkennen, zu verzichten, und schon könnten Armenier problemlos hierher und wir Türken ohne weiteres dorthin." Die beiden Armenier schweigen.

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14 Kommentare

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  • A
    AYhan

    Sehen Sie, Masseker Holländischer Masseker Indonesien findet nicht einmal in der Taz ein Platz. Schade eigentlich.

    Ist das wirklich Gerechtigkeit was Sie hier verkaufen möchten oder seid samt alle Vorposten der imperialischen Interessen ???

  • A
    Ayhan

    Wenn es um Zvilisation bzw. Menschenrechte gehen sollte und nicht als Vorposten von Imperilaististen Interessen vortutreten. Sollte man eigentlich den Holländern, die armenische Genozig schon erkannt haben, fragen: Heute genau vor 12 Jahren haben die Holländische Soldaten ein Maaseker der Serben an die Bosnier nicht verhindert sondern nach dem Masseker mit den serbischen Soldaten getrunken und gefeiert.

    Ist es die Zvilsation bzw. Politische und auch menschliche Moral, aus der Sie andere verurteilen möchten ????

    Als bemerkung: 400 bewaffnete Holländische Soldaten waren Vorort als Schutz und das Masseker hat ca. 60 tage gedauert und 8.000 Bosnier sind getötet. :O)

  • A
    AYhan

    @ an Canan. Liebe Canan du hast dir so viel Mühe gegeben und soviel geschrieben. Ich bin mir Sicher dass die Frau Bauer, Ihre Meinungsfreiheit nutzen weiss und dazu nichts sagen wird bzw. nichts lesen wird. Ich schreibe kurz, da es nicht gelesen wird. Aber ein Punkt muss ich ansprechen, so unwissend bzw voll mit Vorurteilen habe ich gerade die Deutsche Demokraten/ Linken nicht geschätz.

  • A
    AYhan

    @n.Erkmen Vielen Dank für deine Antwort und hoffe dass unsere selbst ernannte Menschenrechtler, wie Frau Bauer verstehen, dass es nur eine Wahrheit geben kann und nicht für jeden eigene Wahrheit. Wenn man wirklich nach Gerechtigkeit sucht, da habe ich schon einige handfeste ( Keine Vorurteile) Vorwürfe an diese sog. zvilisrte Welt, die hier nicht erscheinen dürften. :O)

    Auch TAZ ist vorboten der Imperilaistischen Interssen.

    Wenn der Bankjmin Kollege wusste woher ich stamme, hätte er sicherlich seine Vorwürfe an Türken 2 Überlegt.

    Jetzt bin ich gespannt, ob TAZ wirklich die Meinungsfreiheit akzeptiert und dieses Schreiben veröffentlicht.oder wie mein 2. Schreiben einfach unter den zvilisierten Tisch kehrt.

  • A
    AYhan

    Lieber Benjamin Aydin,

    nur du und die Frau Bauer sind gut informiert und rest nicht ?? Gerade dieser Kommentar zeigt, wie gut eigentlich die Frau Bauer informiert ist.

    Die Frau Bauer und ähnliche Menschrechte verteidiger sollten erst mit sich anfangen und vor ihrer Haustür kehren.

     

    Deutschland = Namibia

    England = Indien, Rest der Welt

    Frankreich = Algerien, und und und

    Belgien Kongo und und und

    Holland = Indonesien un und und

     

    Da es nur eine Wahrheit gibt und auch geben kann, sollten alle Beteiligten die Karten offen legen. Nicht nur die, die von Imperialisten bzw. Zviliesirten auf dem Schlachttisch zum schlachten freigegeben sind.

  • CD
    Can Duman

    1898 Mexiko; 1921'de; 1945Hiroschima und Nagasaki 1954 Guatemala; 1955 Indonesien (CIA), Laos, Kombotscha 20 Jahre späater wieder in Kambotscha und Laos; 1956-59 Kuba; 1965 Indonesien mit Suharto, 1965 Dominakanische Rep.1973 Cile (CIA); bis 1975 Vietnam; 1983 Libanon; 1983 Grenada;

    1989 Panama; 1991 -2007 mit über 12.000 Bombenflügen im Irak und von Vernichtung der Indianervölker innerhalb der jetzigen USA ganz zu schweigen...das ist USA

     

    Deutschland in Europa und in Afrika, Frankreich in Afrika und Asien, Vereinigtes Königreich in Asien, Afrika, Übersee etc..pp...Allein mit den Jahreszahlen und Überschriften könnten wir eine Tagesausgabe der TAZ füllen, ohne Bilder !!! Wir können in die Jahre vor 1915, nach 1954 oder gar nach 2000 gehen. Wir leben in einem Land, in dem keine Übereinstimmung bei keiner dieser Morde wegen Rasse, Religion oder Volkszugehörigkeit, die zum Teil als "Vorkommnisse" bezeichnet werden, herschen würde aber bei einem Thema, nur bei diesem Thema und -selbstverständlich und berechtigt- beim Holocoust herscht über alle Fraktionen hinweg eine gemeinsame Resolution ohne Einwände oder Einschränkungen. Sollte diese parteiübergreifende Übereinstimmung dem Holocoust zu verdanken sein, dann ist das eine Schande für das Parlament, denn ein Vergleich würde schäbig den Holocoust verharmlosen. Da gäbe es aber eine Übereinstimmung mit dem Mann/Frau auf der Straße, die uns Türken (!) sagen: wir haben es zugegeben, tut es doch auch, dann habt ihr Ruhe.

     

    Für die weniger gebildeten Leser ein paar Gedankenanstösse: 1919 wurde die Türkei besetzt und es gab Kriegsgerichte zum Fall der Vertreibung der Armenischen Bevölkerung mit britischen Richtern und Anklägern ! 1919 lebten noch hunderttausende Armenier in Istanbul! Aus Istanbul wurden im Mai (nicht April) 1915 einige Tausend (ca. 3000) als Kollaborateure verhaftet. Ein Völkermord in einem Land, wo Mitglieder der armenischen Minderheit während dieser Jahre noch in höchsten Staatsämtern waren ? Gugelt mal im Internet, wieviel Beiträge ihr in der internationalen oder gar in der armenischen oder sowjetischen Politik zu diesem Thema findet in den 30`er bis 60`er Jahre findet. Ist doch ebenso einen Gedanken wert wie die Einladung der Türkei an internationale Historiker in ihren Archiven zu stöbern. Ebenso auch die vor zwei Jahren auch (1) vom Deutschen Bundestag angeregten türkisch-armenischen Gespräche und Forschungen zwischen Historikern, die bis dato von Armenien abgelehnt werden. Für alle Intellektuellen, die sich hierfür interessieren, empfehle ich auch die Schriften von Historikern zu lesen, die es von Türken initierten Web-Sites angegeben werden (europäische und amerikanische Historiker). Zumindets kann man ihnen dann nicht mehr vorwerfen, daß sie sich einseitig bilden und sich bewußt und unbewußt instrumentalisieren lassen.

     

    In den 60`er Jahren bin ich in der Türkei mit armenischen Kindern aufgewachsen. In Berlin hatte und habe ich ebenfalls armenische Freunde (in der Türkei geboren oder Kinder von diesen). Wir schliessen dieses Thema nicht aus, sind aber in einem Punkt etwas entfernt von einande: wenn es um Emotionen geht. Das ist auch gut so. Aber wir sind nicht so verbissen, beide Seiten nicht, wie diejenigen, die dieses Thema zu ihrem Broterwerb gemacht haben. Wir trinken unser Tee zu ende und halten unsere Freundschaft aufrecht.

     

    Den Türken empfehle ich, es nicht so verbissen zu sehen. Seht auch die Koalitionäre zu diesem Thema an. In den USA oder auch in Deutschland. Spanien, Frankreich, GB sind in der EU, keiner kräht nach ihrer Geschichte. Fragt -so wie ich es mache- Armenier, die an Veranstaltungen zu diesem Thema teilnehmen: "was wollt ihr ?" Ihr werdet die Antwort hören. "gebt zu, es war Völkermord", Daumen und Zeigefinger reibend ! Seht es nicht so verbissen. Nicht als Beleidigung an euch oder euren ahnen. Es ist Politik und Wirtschaft. In beiden Feldern ist alles erlaubt. Vielleicht kommt ihr weiter, wenn ihr statt "leugnen" einfach ignoriert. Weder in der Irakpolitik der Türkei noch in den Beitrittsgesprächen als Thema, als Verhandlungsmasse akzeptiert. Einfach ignorieren: wie Deutschland, Frankreich, USA u.v.a.m. Seht es nicht so verbissen, macht es doch wie der Attila im Text, dann wird vielleicht geschwiegen (wie im Text auch).

     

    Frau Bauer weiss nicht, was sie schriebt aber da ist sie leider nicht allein. Sie weiss nicht, dass Armenien offiziell (!) noch Gebietsansprüche an die Türkei stellt, trotz Verträgen aus Anfang zwanzigern (also knapp nach dem angeblichen Völkermord). Sie weiss nicht, dass Armenien nach etlichen Massenmorden in Aserbeidschan ein bedeutenten Teil von Aserbeidschan, trotz internationalem Druck besetzt hält und die Forderung nach UNO und OSZE nicht akzeptiert (Berg Karabach bzw. Karabag). Aus welchem Grund sollte die Türkei die Grenze zu einem Land öffnen, das Gebietsansprüche gegen sich stellt ? Menschliche Zeichen gibt die Türkei, in dem sie zehntausende Armenien-Armenier als Schwarzarbeiter duldet (wie Frau Bauer richtig schreibt, sie über Georgien pendeln läßt).

     

    In den Ländern südlich des Balkan ist es üblich, die Schuld an miserablen Lebensumständen und wirtschaftlicher Ohnmacht den äußeren "Feinden" zu geben. Diese Umstände hat Armenien weder der geschlossenen Grenze zur Türkei noch dem Ersten Weltkrieg zu verdanken. Deutschland und Israel haben keine Grenze zur Türkei und die Deutschen und Israelis haben nach 1945 bzw. 1948 quasi von Null auf ihren Staat aufgebaut. Deutschland dazu quasi ohne große Hilfe aus der Diasphora.

     

    Eine Logik-Aufgabe zum Abschluß: wenn die Türkei trotz Mangel auch nur eines (!) Beweises sagt: es war ein Völkermord nach UNO-Definition; trotz soviel Aufblähung und verschiedenen Todeszahlen, es auf jeden Fall mehrere hunderttausend Menschen gestorben; USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Armenien und einige andere möchten es von uns das hören, also akzeptieren wir dieses; es war VÖLKERMORD. Was ist die Konsequenz ? Die Türkei muß ein Teil seines Boden an Armenien abgeben, nach, knapp 100 Jahren muß sie die Geschichte und Wirtschaft rückwärts aufrollen, mehrere jahresstaatsetatshohe Ansprüche befriedigen. Oder glaubt irgendjemand, es geht um moralische Ansprüche, die befriedigt werden? Da die Türkei berechtigterweise nie (freiwillig) in diesen Status eintreten wird aber die o.a. Staatsparlamente das verlangen, quasi die Aufgabe des Staatsgebietes und den wirtschaftlichen Ruin, so müsste es entweder als Kriegserklärung verstanden werden (vor nicht mal 100 Jahren war es casus belli; ach was, vor 16 Jahren zwischen Irak und Kuwait reicht zur Erklärung aus; oder der 11. September). Nach der Logik müßte die Türkei diesen Handschuh aufheben oder ignorieren. Ich bin für`s Ignorieren. Ich bin noch türkischer Staatsbürger, kann noch eingezogen werden, muss ja nicht sein, oder?

  • N
    N.Erkmen

    @Ayhan. Deine Frage ist schnell beantwortet Ayhan. Weil eine historische Auseinandersetzung mit der Frage den Weg des Dialoges bedeuten würde. Den möchte Armenien aber - aus sehr pragmatisch-wirtschaftlichen sowie geostrategischen Gründen (denn es besetzt mit Unterstützung Russlands bodenreiche Teile Aserbaidschans) - nicht gehen. Brauch es auch nicht,...nur darf und sollte auf der anderen Seite niemand glauben, die Türkei würde sich aufgrund dieser perfiden Pläne und Dialogverweigerung einfach stigmatisieren lassen (schon gar nicht von Nationen oder Medien, die noch nicht einmal "3 Seiten" in dieser Thematik gelesen haben). Das ist ein großer Irrtum und vor allen Dingen ein Trugschluss.

     

    Die Osmanischen Archive stehen der Forschung zur Verfügung...ist es nicht höchst bemerkenswert, dass sich ihnen Niemand/kein Land/keine Presse nähert?

     

    Zu dem Kommentator Benjamin...nicht so emotional mein Freund. Der rechtliche Begriff Völkermord ist klar definiert...darin definiert ist vor allen Dingen die klare A b s i c h t eine Volksgruppe/Rasse zu vernichten. Die nicht verbotene NPD in Deutschland z.B., die kennt sich darin aus.

  • A
    AYhan

    TAZ tut so als ob die Türkei bzw. Türken alle gleich sind. Alte, westeuropäsiche und Ekelhafte Vorurteile.

    Türkei = Vorurteile von Links und Rechts und das alles verpackt mit sog. westlichen Zvilisation.

    Aber trozt Eure Haltung eine Frage bleibt unbeantwortet: Warum wird der Vorschlag der Türkei (Durch eine Gremium von Wissenschaftler festzustellen was es ist) nicht einmal mit einem Wort erwähnt ?? Ich würde euch erst raten über Deutsche Massaker in Afrika zu überlegen.

    Gerade die Deutschen haben hier nichts zu sagen, schon gar nicht die nachgemachten westeuropäische sog Linken.

  • BA
    Benjamin Aydin

    An die Ermen, Erhan und Cetins:

     

    Was die Osmanen insbesondere in den Jahrzehnten vor dem Untergang ihres Reiches und was das anschließende jungtürkische Regime, bis hin zu den Gründungsjahren der Republik unter Mustafa Kemal (Atatürk) mit den Christen Kleinasiens gemacht hat, ist einzig mit dem Wort "Völkermord" lediglich formal und juristisch korrekt beschrieben. Wenn man sich aber ansieht, mit welcher Bestialität, Erbarmungslosigkeit und Grausamkeit die Christen von Türken, mit Hilfe kurdischer Banden, abgeschlachtet wurden, erscheint die Bezeichnung als "Völkermord" als viel zu sachlich und abstrakt. Ich bin immer wieder fassungslos, wenn ich lese, welches Leid meinen Vorfahren (ich bin syrisch-orthodoxer Christ, man nennt uns in der Türkei Süryani) angetan wurde.

     

    Was aber das ganze geradezu unerträglich macht, ist die Leugnung dieser barbarischen Massaker durch die offzielle Politik und die Massenmedien in der Türkei, die, wie man an den Kommentaren oben sieht, selbst bei türkischstämmigen Bürgern in Deutschland Früchte trägt.

     

    Liebe Frau Bauer,

    lassen Sie sich von obigen Kommentaren nicht beinflussen und beeindrucken, diese Menschen sind halt falsch informiert. Sie haben in meinen Augen ein ausgewogenes, realistisches und ja sogar freundliches Bild der Gesellschaft in der Türkei gezeichnet, wenn man bedenkt, wie stark sich dort der Nationalismus und auch Islamismus in letzter Zeit verbreiten.

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Benjamin Aydin

  • NE
    N. Erkmen

    @A.Z. Sie brauchen und haben mir nichts zu "versichern", Sie könnten sich höchstens einmal deutlicher und sinngemäßer ausdrücken. "Ambivalente Gefühle" in diesem Artikel sind lediglich aus der Einstellung der "vermeintlich christlichen" Autorin der Türkei gegenüber zu erkennen, die sie u. a. mit solch niveaulosen Hass-Schlagzeilen auf die gesamte Armenische Bevölkerung zu übertragen versucht hat. Dazu gibt es nichts weiter zu sagen.

  • AZ
    A. Z.

    @N.Erkmen: Was ist falsch an der Schlagzeile? Ich vermute, Ihnen ist die persönliche Erfahrung eines sogenannten "ambivalenten Gefühls" bislang erspart geblieben. Sie können deshalb einfach nicht glauben, dass es so etwas überhaupt gibt. Nun, ich kann Ihnen versichern: Ambivalenz ist keine Bild-Zeitungs-Ente. Es gibt sie wirklich und sie beruht fast immer auf dem Umstand, dass man im Leben mitunter Erfahrungen macht, die beim besten Willen nicht zusammen passen wollen.

  • C
    Cetin

    Da sieht man mal wieder wie man gnadenlos übertreiben kann. Es ist wirklich traurig. Wenn ich die Türkei nicht kennen würde, hätte ich diesen zusammengereimten Schrott auch geglaubt.

    Da müssen die Türken in Deutschland ja mehr Angst haben als die Armenier in der Türkei. Es leben soviel Armenier dort. Sie gehören einfach zur türkischen Kultur. Übrigens werden auch sehr viele illegal eingewanderte Armenier " geduldet"...

     

     

     

    Ich kann nur sagen: Es ist wirklich wirklich traurig...Und ich dachte nur die BILD-ZEITUNG ist so billig...ich bleib doch lieber bei der FAZ

  • SE
    S. Erhan

    Ich bin immer wieder froh wenn ich nicht-türkische Meinungen zu diesem Lemma lesen kann. Es zeigt mir immer wieder wieviel Unwissen in der Welt herrscht und wie man stets Vorurteilen ausgesetzt wird. Der Text von "Frau Bauer" ist nicht nur rhetorisch in die unterste Schublade einzuordnen sondern vor allem inhaltlich. Es geht mir dabei nicht mal darum was, um die Art und Weise wie sie den Text geschrieben hat. Hier wird klar ein Feindbild geschaffen. Die armenische Familie wird als ängstlich hilflose Familie unter Schutz genommen, während der Sohn der Pensionswirtin als jurastudierender Nationalist dargestellt - bewusst unterschwellig natürlich. Mal von Hrant Dink abgesehen, würde ich gerne mal ein paar Beispiele über unterdrückte und verfolgte armenisch-stämmige Bürger in der Türkei lesen/hören. Die Armenierfrage beschäftigt die Türkei seit Jahrzehnten und ist unter der türkischen Bevölkerung stets ein Tabuthema gewesen. Jedoch fällt es immerwieder auf wie niemals die türkische Seite auch nur annähernd richtig dargestellt wird. Wenn wir die UN-Konvention natürlich als Maß der Dinge betrachten, so gibt es zur Zeit auch einen Völkermord im Irak. Von Algerien und Aserbaidschan mal abgesehen.

     

    Ich bin zwar für jede Diskussion bezüglich dieses Themas offen, jedoch sollte ein gewisses Mindestmaß an Wissen und Niveau vorhanden sein, was ich bei Frau Bauer nicht sehe. Ich hoffe das war ein einmaliger Ausrutscher der TAZ.

  • NE
    N. Erkmen

    Ist der Name der "mutmaßlichen Christin" Frau Antje Bauer auch von der Redaktion geändert? Falls nicht, möchte ich Frau Bauer fragen, ob dieses Ehepaar die Türkei als verhasstes Land empfingen/bezeichnen oder Frau Bauer in vorweggenommener Meinung? Solche Schlagzeilen haben sicher ihren Platz im Axel-Springer-Haus, aber bei der Taz hoffentlich nicht.