Kommentar Usbekistan: Unser Birma

Berlin zeigt sich in Europa als Usbekistans bester Freund. Es ist damit auf europäischer Ebene das, was China für die Militärjunta in Birma auf der Weltbühne ist.

Die Machthaber in Birma brauchen nur Geduld. Es braucht nur etwas Zeit, bis das Massaker an ihrer Bevölkerung vergessen ist. Zwei Jahre und fünf Monate hat es gedauert, bis Europa der usbekischen Führung die Bluttat von Andischan nachgesehen hat. Am Montag werden die Außenminister der EU die Sanktionen gegen Usbekistan bis zur Unkenntlichkeit verwässern; zugleich werden sie wohl Birma für seine Gewaltpolitik ordentlich rügen. Das ist ein Erfolg deutscher Diplomatie.

Berlin zeigt sich in Europa als Usbekistans bester Freund. Es ist damit auf europäischer Ebene das, was China für die Militärjunta in Birma auf der Weltbühne ist. Im Gegensatz zu China hat Berlin jedoch noch die Traute, den Tanz mit dem Regime in Taschkent als "Menschenrechtsdialog" zu beschönigen. In Usbekistan wurde von Panzerwagen auf Frauen und Kinder geschossen. Unliebsamen Journalisten werden mit der Bastonade die Fußsohlen blutig gepeitscht. Menschenrechtler werden verhaftet, gefoltert und gedemütigt und dann als Pfand in Verhandlungen mit Europa eingesetzt.

Usbekistans Elite bereichert sich schamlos an den Reichtümern des Landes, während Kinder zur Baumwollernte gepresst werden. Die Präsidentschaftswahlen am 23. Dezember werden selbst den Zynismus in den Nachbarstaaten in Zentralasien noch in den Schatten stellen.

Doch Deutschland ficht das alles nicht an. Nach dem Massaker von Andischan hat Berlin alles unternommen, um die Sanktionen für Usbekistan zu mildern. Das usbekische Militär erhielt weiter deutsche Hilfe, der usbekische Innenminister wurde in einem Krankenhaus in Hannover behandelt, und im Januar kam wieder eine hochrangige usbekische Regierungsdelegation nach Deutschland.

Dem deutschen Werben in Taschkent springen Abgeordnete und Parteistiftungen bei, die mit Blick auf Usbekistan von Dialog und Reformen reden, wo Folter und Stagnation herrschen. Deutschland will sich in Zentralasien geopolitisch positionieren und den Bundeswehrstützpunkt in Termes behalten. Der gepriesene "Menschenrechtsdialog" ist da nur Budenzauber.

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„Das liegt doch irgendwo in Russland“ oder „Samarkand?  Seidenstrasse?“ sind zwei häufige Antworten, wenn ich in Deutschland von meiner Arbeit in Zentralasien erzähle. Die Region zwischen dem Kaspischen Meer und chinesischer Grenze tut sich auch 20 Jahre nach der Unabhängigkeit schwer, einen Platz in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit zu erobern.Mich aber faszinieren Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan seit vielen Jahren, obwohl in den Redaktionen das ungeschriebene Gesetz gilt,dass Veröffentlichungschancen sinken, je mehr Stans in einem Satz vorkommen. Ich berichte aus dem Hinterland des Natokrieges in Afghanistan über Aufstände, Revolutionen,Wasserkriege und wie deutsche Politiker mit dem usbekischen DespotenIslam Karimow kungeln, um sich die Bundeswehrbasis in dessen düsteren Reich an der afghanischen Grenze zu sichern.Ich nehme die Ereignisse selbst in Augenschein und berichte in Zentralasien oft als einer der ersten, manchmal sogar als einziger, vom Ort des Geschehens. Sei es bei den zwei Machtumstürzen (2005 und 2010), und dem ethnischen Konflikt in Kirgistan (2010), dem Massaker in der usbekischen Provinzstadt Andischan (2005), den Ölarbeiterstreiks in der westkasachischen Steppenstadt Schanaozen und dessen blutigem Ende (2011), und den Gefechten in der tadschikischen Pamirprovinz Badachschan (2012). Ich, Jahrgang 1969, arbeite seit 1994 aus Zentralasien für Schweizer und deutsche Medien. Seit 2006 bin ich zudem dort als taz-Korrespondent tätig. Ich halte Vorträge zu Zentralasien und beteilige mich an Podiumsdiskussionen. Deutschland:+491795057442 Kirgistan:+996777565575

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