die wahrheit: "Kraft durch Freude am Fahren"

Mit neuen Modellen vermarktet die deutsche Automobilindustrie ihre NS-Vergangenheit.

Der Dokumentarfilm "Das Schweigen der Quandts" hat einen Verkaufsboom bei deutschen Geländefahrzeugen ausgelöst. Während die Familie Quandt, Miteigentümerin von BMW, die eigene Geschichte langwierig und teuer erforschen lassen will, geht die deutsche Automobilindustrie mit gutem Beispiel voran und verdient Geld mit der Vergangenheit.

BMW, Mercedes, Audi, VW und Porsche bringen ihre modernen Geländewagen wie "BMW X5" oder "Porsche Cayenne" im Retro-Design der Wehrmacht heraus, in Tarnfarbenoptik und echtem Look. "Wir bekennen uns nicht nur zur Vergangenheit, wir fahren sie auch," sagt Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). "Mobilität im Nationalsozialismus, das ist ein ganz neues Thema im Markt", sagt Wissmann und bringt den Erfolg bei der Zielgruppe mit einem standesgemäßen Kalauer auf den Punkt: "Die Kunden fahren voll drauf ab." Und ein VDA-Experte, der nicht genannt werden will, sagt, die meisten Käufer hätten den Film über die Quandts gesehen und bestellten die Autos mit dem Kommentar: "Jetzt erst recht."

Das Flaggschiff - Automanagersprache lebt traditionell von Kriegsmetaphorik - der BMW-Geländewagenflotte, der X5, erscheint im November als "X5 Wolfsschanze" mit einem 500-PS-Dieselmotor, ohne Partikelfilter. Gab es bei der Wehrmacht auch nicht. Gute Zeiten waren das. Der "X5 Wolfsschanze" ist auch erhältlich in der Reihe "Unternehmen Barbarossa - Heeresgruppe Mitte", im original Winterschlacht-Outfit eines schneegrau bemalten Schützenpanzers von 1942. Topaktuell zum Winter, ideal für den Skiurlaub in Kitzbühel.

BMW wird seinen legendären Slogan ("Freude am Fahren") für den neuen Wehrmacht-X5 kreativ erweitern. Motto der Kampagne: "Kraft durch Freude am Fahren." Bei VW in Wolfsburg - der Käfer hieß dort mal "Kraft-durch-Freude-Wagen", schon etwas länger her - ist man wegen des X5-Slogans ein wenig verschnupft. Zumal "Kraft durch Freude am Fahren" überzeugend auf die deutschen Einkommenseliten wirkt, die am liebsten in Geländewagen über ihre Straßen fahren. "Ein BMW X5 oder ein Mercedes ML 350 ist für den Fahrer ein gelebtes Naturrecht. Das Recht des Stärkeren fährt in so einem Auto immer mit", sagt der Freiburger Sozialpsychologe Ralph M. Otterstein. Der neue Wehrmachtrend nehme im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft den Einsatz der Bundeswehr im Innern bereits mental vorweg. "Und der kommt sowieso," sagt Otterstein düster, "wenn aus den zwei Millionen Bundesbürgern unter 14 Jahren, die heute von Sozialhilfe leben, erst mal erwachsene Hartz-IV-Empfänger geworden sind." Unklar ist aber, ob die Geländewagen der VDA-Mitgliedsfirmen auch bei der Bundeswehr einsetzbar wären. "Wir schließen nicht aus, dass die Fahrzeuge sogar für die Bundeswehr geeignet sind", sagt Matthias Wissmann, und in freudiger Erwartung eines lukrativen Absatzmarktes leuchtet er ein wenig.

Im Moment haben die Wehrmacht und ihr schweres Erbe den in der deutschen Autobranche üblichen Krieg um Marktanteile entfacht. Und da gehören vor allem griffige Slogans und authentische Produktnamen zur Strategie. "Entscheidend ist ja nicht nur die Qualität der Produkte, sondern auch der Namen. Beim Auto muss ja nicht nur die Tür beim Schließen den richtigen Sound haben. Der Name des Wagens muss eben auch wirklich gut klingen und sich sofort einprägen, um die Emotionalität der Fortbewegung erfahrbar zu machen", doziert Wissmann in beinahe schon anrührender Beflissenheit.

Glaubt man Wissmann, und wer tut das nicht, so müssen sich vor allem die VW-Marktstrategen schwer getroffen fühlen, von jenem kongenialen Neoklassiker aus München ("Kraft durch Freude am Fahren. X5 Wolfsschanze"). Doch die Wortdesigner von VW geben sich so leicht nicht geschlagen. Unter dem Arbeitstitel "Herrenvolkswagen" feilen die Wolfsburger daran, den von wohlhabenden Einkommensgruppen bislang schnöde ignorierten VW Touareg endlich elitentauglich zu machen. Ähnliches spielt sich offenbar bei Audi ab, die ihren 2,3-Tonner Audi Q7 jetzt NS-historisch aufwerten wollen.

Die Ingolstädter haben mit dem "Audi Q7 Obersalzberg" ein ehrgeiziges Projekt ins Leben gerufen. Die Sitzgarnitur basiert auf Nachbildungen von original Polstersesseln, die Albert Speer für das Kaminzimmer des Berghofs entworfen hatte. Ein Ausstattungskonzept, das von der Zielgruppe aber wohl eher als etwas anbiedernd empfunden werden dürfte. Bleibt die Hoffnung auf das Sommergeschäft 2008: Parallel sollen die Audi-Ingenieure angeblich an einer paradefähigen Cabrio-Version "Q7 Reichsparteitag" arbeiten.

Keine Probleme mit der Zielgruppe sieht man dagegen bei Mercedes und Porsche. Die Modellreihen "Mercedes ML 350 Adlerhorst" und "Porsche Cayenne Atlantikwall", heißt es in Stuttgart, seien auf Jahre hinaus ausverkauft.

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kari

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