Waldbrände in Kalifornien: Fluch der Vorstädte
Mehr als eine Viertelmillionen Kalifornier bringen sich für den Flammen in Sicherheit. Schwarzenegger ruft Notstand aus. Das uferlose Wachstum der Vorstädte in die Wälder hinein fordert seinen Tribut.
SAN DIEGO ap/dpa/taz Wie fast jedes Jahr suchen erneut Waldbrände die Bewohner Südkaliforniens heim. Hunderttausende Menschen sind aus ihren Häusern geflüchtet. Allein in San Diego forderten die Behörden am Montagabend eine halbe Millionen Bewohner auf, sich in Sicherheit zu bringen. Dort wüteten die Brände in der Nacht zum Dienstag am schwersten.
Die Feuerwehr verlor nach eigenen Angaben kostbare Zeit, weil sie zögernde Bewohner dazu bewegen musste, der Aufforderung zur Evakuierung Folge zu leisten. Die Einsatzkräfte klagten außerdem, dass sie nicht genügend Mittel für die Brandbekämpfung hätten. "Es brennen mehr Häuser, als wir Leute haben", sagte Lisa Blake von der Feuerwehr in San Diego. "Heute werden viele Leute ihr Haus verlieren." Insgesamt waren mehr als 250.000 auf der Flucht.
Die Brände wüteten auch in den Villensiedlungen Malibus. So waren zum Beispiel die Schauspieler Mel Gibson, Kelsey Grammer und Victoria Principal gezwungen, vor den Flammen auszuweichen. Weniger reiche Bewohner der Region wurden in das Qualcomm-Stadion von San Diego gebracht. Tausende von Evakuierten verfolgten dort vor Fernsehschirmen die Nachrichten über die Ausbreitung der Brände.
Die Santa-Ana-Winde, auch "Teufelshauch" genannt, sind heiße und trockene, föhnartige Winde, die speziell im Süden Kaliforniens auftreten. Sie sind nach dem gleichnamigen Santa Ana Canyon vor Los Angeles benannt, durch den sie mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Küste wehen. Die Winde trocknen die Vegetation aus und erhöhen so die Gefahr von Wald- und Buschbränden. Durch ihre Geschwindigkeit von bis zu Tempo 100 fachen sie bestehende Feuer zusätzlich an. Ähnlich wie Föhn in den Alpen sind die Santa-Ana-Winde sehr böig - und daher extrem tückisch.
Die Teufelswinde entstehen vorwiegend im Herbst und frühen Winter, wenn sich ein starkes Hochdruckgebiet über dem Hochplateau von Nevada und Utah zwischen der Sierra Nevada und den Rocky Mountains bildet. Die normalerweise kalte und ohnehin trockene Luft der Wüste drängt dann in südwestlicher Richtung abwärts in die engen Schluchten und Pässe vor der kalifornischen Küste. Dort erwärmt sie sich durch Kompression und Reibung und gewinnt massiv an Geschwindigkeit. Die relative Luftfeuchtigkeit kann auf ein Minimum von weniger als 10 Prozent sinken.
Von der mexikanischen Grenze bis Santa Barbara nördlich von Los Angeles tobten 14 riesige Buschbrände, die von den sogenannten Santa-Ana-Föhnwinden mit Sturmstärke immer wieder angefacht wurden. Mehr als 600 Häuser sind den Bränden bislang zum Opfer gefallen. Über weite Teile des Sonnenstaates färbten die Flammen den Himmel gelb-orange. Andernorts verdunkelten dichte Rauchwolken den Himmel. Eine Entspannung ist in den kommenden Tagen nicht in Sicht. Meteorologen sagen weiterhin Tagestemperaturen von über 30 Grad und heftige Winde voraus, die die Feuer immer wieder entfachen.
Rund um die Uhr kämpfen Tausende von Feuerwehrleuten gegen die Flammen. Mehrere Löschhubschrauber und -flugzeuge sind ständig im Einsatz. Die Brände erfassten ein Gebiet von mehr als 800 Quadratkilometern - das entspricht der Fläche Hamburgs. Die Feuerwehr von Kalifornien bat ihre Kollegen in anderen US-Staaten um Hilfe. Mindestens 14 Brände seien außer Kontrolle geraten, sagte Patti Roberts von der Katastrophenschutzbehörde. An einigen Orten schossen die Flammen bis zu 60 Meter hoch. Im Bezirk Orange wurde ein Gefängnis mit mehr als 1.000 Häftlingen evakuiert.
Gouverneur Arnold Schwarzenegger erklärte sieben Bezirke zu Notstandsgebieten und machte so den Weg für staatliche Hilfen frei. "Das ist eine tragische Zeit für Kalifornien", sagte der Gouverneur am Montag in Malibu.
Die direkten Ursache der Brände sind verschieden. In Malibu war es möglicherweise eine abgerissene Hochspannungsleitung. In mindestens einem Fall im Orange County wird auch Brandstiftung für möglich gehalten. Ein anderes Feuer entstand durch den Brand eines Autos.
Egal, was die Feuer auslöst, für die Toten und die großen Schäden ist vor allem das "Urban Sprawl" verantwortlich, das uferlose Wachstum der amerikanischen Vorstädte, der gelebte Traum vom Haus im Grünen. Oft eben mitten in Wäldern. Häuser und Wälder trennen so keine Pufferzone mehr. Wegen der Erdbebengefahr und weil es billiger ist, sind viele Häuser aus Holz gebaut: Futter für die Flammen. Auch Präventionsmaßnahmen wie Brandschneisen oder die Beseitigung von trockenem Unterholz kommen stets zu kurz. Dabei ist die Situation in Südkalifornien durch die regelmäßig auftretenden heißen Wüstenwinde besonders heikel.
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