Umstrittener Gesetzesentwurf: Frankreich entdeckt Einwanderer-Gen

Ein neues französisches Einwanderungsgesetz soll Familienzusammenführung von Afrikanern an "freiwillige" Gentests an Mutter und Kind knüpfen.

Protest in Paris gegen Gentestpläne. Bild: ap

PARIS taz Als "Karikaturen, Exzesse und Verleumdungen" bezeichnete Brice Hortefeux am Dienstag die Kritik an seinem "Gesetz zur Beherrschung der Einwanderung". Der Text, so Frankreichs Minister für Einwanderung, garantiere den "Schutz des Privatlebens" und gebe "Ausländern mit guten Absichten" zusätzlich eine neue Möglichkeit, ihre Kind-Beziehung zu beweisen. Hortefeux: "Nur darum handelt es sich."

Wenige Stunden später standen gestern in beiden parlamentarischen Kammern die letzten Abstimmungen über das umstrittene Gesetz auf dem Programm. Angesichts der starken Mehrheiten der regierenden UMP (Union der präsidialen Mehrheit) bestand kein Zweifel an seiner Annahme. Dennoch ist fraglich, ob das Gesetz in Kraft tritt. Denn die Opposition will den Verfassungsrat anrufen. Sie hält die Gentests für diskriminierend und verfassungswidrig.

Die Kritik an dem Gesetzentwurf von Hortefeux und insbesondere an einem Zusatzpassus des UMP-Abgeordneten Thierry Mariani hat in den vergangenen Wochen erstmals in dieser Legislaturperiode zu einer parteiübergreifenden Protestbewegung geführt. Im Parlament protestierten kommunistische, grüne, sozialdemokratische und rechtsliberale Abgeordnete gemeinsam gegen den Entwurf, vereinzelt von Mitgliedern der konservativen UMP unterstützt. Außerparlamentarisch fand eine Petition gegen das Gesetz bis gestern über 250.000 Unterschriften.

Das Gesetz sieht neue Hürden für die Familienzusammenführung vor. Darunter Sprachtests und -schulungen im Herkunftsland und der Nachweis eines Mindestlohns. Die öffentlichen Proteste gegen das Gesetz haben sich vor allem auf den Gentest-Passus konzentriert. Inzwischen leicht reformiert, sieht dieser bei Anträgen auf Familienzusammenführung vorerst freiwillige Gentests für nachziehende Staatsangehörige aus bestimmten afrikanischen Ländern vor, deren Standesämter und Melderegister Frankreich nicht für verlässlich hält. Falls die Kinder dieselben Gene haben wie die Mutter, können diese Tests eine Familienzusammenführung erleichtern. Die Tests sollen nur nach richterlicher Zustimmung und nur an der Mutter, nicht am Vater durchgeführt werden.

Falls die Familienzusammenführung dann zustande kommt, übernimmt der französische Staat die Kosten. Das Gesetz sieht eine Probephase von 18 Monaten vor. Nach Ansicht des Abgeordneten Mariani werden bis dahin pro Jahr maximal 2.500 Gentests durchgeführt werden.

Der PS-Abgeordnete Arnaud Montebourg kritisierte gestern Morgen erneut, das Gesetz "öffnet Frankreich den Weg für die Bio-Kontrolle von Individuen". Wie zahlreiche andere fühlt er sich an das "Judenstatut" aus dem Jahr 1940 erinnert. Exjustizminister Robert Badinter glaubt, dass das Gesetz vor allem das Ziel habe, "die Familienzusammenführung zu beschränken". Auch mehrere Mitglieder des Verfassungsrates haben durchblicken lassen, dass sie die Gentests nicht für verfassungskonform halten.

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