Nachsitzen für eine Lehrstelle: Verzweifelte Aktion

Bei der Nachvermittlungsaktion fehlen Lehrstellen. Viele Jugendliche wurden gar nicht erst eingeladen.

Feilen an der eigenen Zukunft: Glückliche Auszubildende bei der Arbeit Bild: AP

Nur ein Ausbildungsplatz wurde Carolin im Bildungszentrum der Handwerkskammer angeboten. An ihren Bewerbungsunterlagen lag es sicher nicht - ihr Anschreiben hatte nur einen Rechtschreibfehler. "Mein Berater von der Arbeitsagentur kann sich auch nicht erklären, warum ich nur zwei Vorstellungsgespräche hatte." Seit ihrem Schulabschluss im Juli hat sie über 30 Bewerbungen geschrieben.

Die 18-Jährige ist eine von 2.510 Jugendlichen, die in dieser Woche von Handwerkskammer, Arbeitsagentur und Industrie- und Handelskammer zur Nachvermittlungsaktion für Ausbildungsplätze eingeladen waren. Ende September zählte die Statistik der Arbeitsagentur allerdings 3.600 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Was mit den 1.100 übrigen Teenagern war? Ellen Queisser, Sprecherin der Arbeitsagentur, erklärte erst auf Nachfrage, dass diejenigen, die vor 2005 ihren Schulabschluss gemacht hatten, gar nicht erst eingeladen wurden.

Daniel Wucherpfennig vom Deutschen Gewerkschaftsbund kann diese Vorgehensweise nicht verstehen. "Die Problematik der Altbewerber liegt bei knapp 50 Prozent und befindet sich seit vier Jahren auf gleichem Niveau", sagte er der taz. Einige Jugendliche kämen bis zu vier Mal in die Warteschleife - etwa in Einstiegsqualifizierungen für Jugendliche (EQJ). Das sind betriebliche Praktika, die komplett von der Arbeitsagentur gefördert werden und auf eine Ausbildung vorbereiten sollen. Nebeneffekt: Die Teilnehmer verschwinden aus der Statistik.

349 solcher Plätze wurden auch bei der Nachvermittlungsaktion feilgeboten. Und lediglich 443 betriebliche Ausbildungsplätze waren für diesen Anlass angeworben worden. "Wir haben Plätze aus allen Berufsbereichen: Friseure, einer der Top-Ausbildungsberufe in diesem Jahr, Gebäudereiniger, Veranstaltungstechniker oder Einzelhandelskaufmann", sagte die Sprecherin der Handwerkskammer, Susan Shakery.

Für die Beratungsgespräche waren 16 Kabinen eingerichtet im Saal des Bildungszentrums der Handwerkskammer in Kreuzberg. Getrennt von weißen Kunststoffwänden, waren in jeder Box ein Berufsberater von der Arbeitsagentur sowie ein Vertreter der jeweiligen Berufsgruppe dabei. Neben dem Erscheinungsbild der Ausbildungsplatzsuchenden wurde über den Berufswunsch, die Bewerbungsunterlagen, Fehlzeiten in der Schule und auch über Zensuren gesprochen. "Eine Fünf in Mathe ist nicht gut. Sie müssen doch die Backmischungen berechnen können", sagte ein Bäckermeister dem 17-jährigen Francesco, der gern Konditor werden möchte. Auch die im Schulzeugnis als entschuldigt angegebenen 17 Fehltage störten den Bäcker. "Darf man denn nicht mal krank werden?", regte sich Francesco hinterher auf.

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