Eisschnelllauf: Das gebeutelte Geschlecht

Zu den am Samstag beginnenden nationalen Meisterschaften, so hat Coach Bart Schouten verfügt, sollen die deutschen Eisschnellläufer endlich aus dem Windschatten der weiblichen Konkurrenz treten.

Eisschnelllauf Weltcup 2007: Herren des Teams Deutschland Bild: dpa

ERFURT taz Nein, Knut ist es nicht, nur ein normaler Braunbär, der an der Wand flimmert. Bart Schouten, der holländische Eisschnelllauftrainer im deutschen Auftrag, doziert über den "Masterplan Herren - So wird der Erfolg angestrebt". Schouten präsentiert das Berliner Wappentier, weil der Masterplan seit über einem Jahr in Berlin-Hohenschönhausen umgesetzt wird. Die 16 besten Läufer des Landes wurden vor Monaten in die Hauptstadt geschickt. Sie mussten ihre alten Stützpunkte in Erfurt, Chemnitz oder Inzell verlassen. Seitdem wird in der großen Gruppe trainiert mit 16 Skatern.

Sie sollen 2010 olympische Medaillen gewinnen. Das ist das große, ambitionierte Ziel. Zuletzt fungierten die deutschen Spitzenkräfte ja meist als Windschattenspender und Trainingskameraden für die etwas erfolgreicheren deutschen Schnellläuferinnen wie Claudia Pechstein, Anni Friesinger oder Gunda Niemann-Stirnemann, nach der die Eislaufhalle in Erfurt benannt ist, in der Schouten seinen Masterplan präsentiert und in der an diesem Wochenende die deutschen Meisterschaften stattfinden.

Den schwachen Männern muss geholfen werden, dachte sich die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) schon vor Jahren, doch es hat einige Zeit gedauert, bis der Verband endlich zusammenzog, was noch nie zusammengehörte. Schouten, der die Sprinterin Monique Garbrecht trainiert und zu späten Erfolgen geführt hatte, sollte den Hinterherläufern, dem gebeutelten Geschlecht neues Selbstvertrauen einimpfen. Doch anfangs war die Skepsis groß. "Sie waren niedergeschlagen und haben niemals daran geglaubt, dass sie Medaillen gewinnen können", erinnert sich der Holländer. Schouten machte sich dennoch an die Arbeit, was blieb ihm auch anderes übrig, lautete sein Auftrag doch, zu beweisen, dass die deutschen Herren Schlittschuh laufen können.

"Wir haben das Gefühl, dass die alte Stützpunktmentalität nicht mehr da ist", sagt er jetzt und spricht lang und breit über die Verantwortung des Spitzensportlers. "Im modernen Leistungssport setzt der Athlet nicht stupid die Anweisungen des Trainers um, der Läufer muss sich auch mental mit seinem Sport auseinandersetzen." Sportler und Trainer könnten nur gemeinsam wachsen. Zuerst hat Schouten gegen die Autoritätshörigkeit seiner Schützlinge ankämpfen müssen, dann gegen den mangelnden Kampfgeist, "aber mittlerweile sind sie härter geworden, die Ansprüche an sich selbst sind gewachsen".

Die Konzentration der Besten in DDR-Manier allein bringt natürlich noch keinen Erfolg, Schouten musste schon ein paar neue Methoden einführen. Eine dieser Methoden heißt "Sommereis", was nichts mit Stracciatella, Schoko oder Jogurt-Himbeere zu tun hat, vielmehr mit einer Sorte Eis, auf der man auch im Juli und August mit Klappkufen fahren kann. Die Fördermittel für das sommerliche Eisvergnügen wurden bewilligt, also gingen Samuel Schwarz, Robert Lehmann, Tobias Schneider und Stefan Heythausen in Berlin-Hohenschönhausen aufs Eis. In der Halle wurde mitten im Hochsommer Winter simuliert. Schouten war froh, dass seine Athleten in einer Jahreszeit, in der früher auf Rollen oder Rädern trainiert werden musste, nun die Schlittschuhe schnüren konnten. Die Weltelite macht es schließlich nicht anders, "und wir waren da ein bisschen hinten dran", gibt er zu.

Es taten sich auch Defizite in der Technik auf. Das ist nicht schön, denn die Eisläufer werden immer schneller, da gilt es mit feiner Klinge übers Eis zu surfen. "Die Jungs müssen über das Eis gleiten, sie müssen es spüren und nutzen - das ist auch eine mentale Frage", sagt Schouten. Um das Gespür fürs kalte Element zu schärfen, hat Schouten seiner Gruppe Shorttrack verordnet. Das ist eine Art Eisschnelllauf, die auf der Größe eines Eishockeyfeldes veranstaltet wird und bei der es vor allem auf eine gute Kurventechnik ankommt. Die Deutschen hatten das noch nie gemacht. Die altgedienten Trainer wie Klaus Ebert aus Chemnitz staunten: "Das war eine Lehrstunde für mich."

Die Berliner Gruppe hat begriffen, was Bart Schouten von ihr will. Man sieht sich mittlerweile als Teil einer Zukunftsmission. "Es geht nur noch voran", sagt Stefan Heythausen. "Wir blicken nicht mehr zurück", sagt Robert Lehmann. Und Schouten ist auch ganz zufrieden. Das Programm zeige Wirkung. Alle Mittel will der Holländer aber nicht ausschöpfen. Auf Doping wolle er verzichten, das bringe "eh nichts" im Eisschnelllauf, behauptet er kühn. "Bevor wir da rangehen", ans Dopen also, "müssen wir noch viele andere Dinge machen." Auch im Eisschnelllauf ist der Erfolg nur eine Frage der richtigen Einstellung.

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