Super-Mario in Bedrängnis

Die dunkelsten Wolken über dem Euroraum haben sich verzogen“ – mit diesen Worten feierte EZB-Chef Mario Draghi erst vor wenigen Tagen den Erfolg seiner Antikrisenpolitik. Doch ausgerechnet über dem Kopf des 65-Jährigen, seit November 2011 oberster europäischer Zentralbanker, zog zugleich eine dunkle Wolke auf.

Die Wolke kommt aus Siena, dem Sitz von Italiens ältester Bank, dem Monti dei Paschi di Siena (MPS). MPS, heute Italiens drittgrößtes Geldinstitut, wollte in den 2000er Jahren das große Rad drehen – und kaufte für knapp 10 Milliarden Euro das Bankhaus Antonveneta zu, ausgerechnet im Jahre 2007 unmittelbar vor Ausbruch der globalen Finanzmarktkrise. Sauber ging es bei diesem Zukauf nicht zu. Eine Kapitalerhöhung von einer Milliarde Euro, gezeichnet von der US-Bank JP-Morgan, war nämlich gar keine: In Wirklichkeit handelte es sich um einen gut getarnten Kredit. MPS ließ sich zudem in den Folgejahren auf riskante, am Ende höchst verlustreiche Derivategeschäfte ein, um Megalöcher in den Bilanzen zu kaschieren.

Und Draghi? Der war seit 2006 Chef der Banca d’Italia, der italienischen Notenbank, der die Bankenaufsicht obliegt. Der Ruf des untadeligen Saubermanns eilte ihm voraus; über die Jahre hatte er zuerst als Exekutivdirektor bei der Weltbank, dann als Generaldirektor – und damit höchster Beamter – in Italiens Schatzministerium gedient. Zugleich galt Draghi als Mann der Hochfinanz, in den Jahren 2002 bis 2005 war er Spitzenmanager bei Goldman Sachs.

Immer aber wurde er als ebenso kompetent wie unbestechlich wahrgenommen. An der Spitze der EZB setzte Draghi dann gegen deutsche Widerstände ein unbegrenztes Ankaufprogramm für Staatsanleihen aus den Euro-Krisenländern durch.

Jetzt aber muss er sich vorhalten lassen, dass unter seine Führung die Aufsicht der Banca d’Italia über die Schwindelgeschäfte der MPS offenbar versagt hatte. So waren Prüfer der Banca d’Italia im Jahr 2010 beim Blick auf mehrere Derivategeschäfte der Sieneser Bank zwar stutzig geworden – doch Folgen hatte das nicht; MPS machte einfach weiter. Bisher schweigt Super-Mario eisern. MICHAEL BRAUN