Mursi: Ägypten wird ein Rechtsstaat sein

DIPLOMATIE Kurzbesuch des ägyptischen Präsidenten in Berlin. Merkel betont wichtige Rolle für Frieden in Nahost

■ Die ägyptischen Behörden haben eine nächtliche Ausgangssperre in der Großstadt Ismailia gelockert. Sie gelte nur noch drei statt neun Stunden, teilte der zuständige Gouverneur am Mittwoch mit.

■ Ismailia ist eine der drei Städte, in denen wegen Ausschreitungen in dieser Woche der Ausnahmezustand ausgerufen wurde. In Suez und Port Said wurde am Mittwoch ebenfalls eine Lockerung erwogen.

■ In Ägypten kommt es derzeit immer wieder zu Gewaltausbrüchen bei Protesten gegen Präsident Mohammed Mursi und die herrschenden Muslimbrüder. (rtr)

BERLIN dapd/dpa/taz | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Ägyptens Staatspräsidenten Mohammed Mursi aufgefordert, Menschenrechte und Religionsfreiheit in seinem Land zu erhalten. Sie sagte am Mittwoch nach einem Gespräch mit ihm im Kanzleramt, für die Bundesregierung sei es wichtig, dass zu allen politischen Kräften ein Gesprächsfaden vorhanden sei, diese ihren Beitrag leisten könnten, dass Menschenrechte beachtet würden und die Religionsfreiheit gelebt werden könne. Merkel betonte: „Aus meiner Sicht ist eine gute gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung die Voraussetzung für stabile Verhältnisse.“

Mursi will Rechtsstaat

Merkel unterstrich die Rolle Ägyptens im seit Langem stockenden Nahost-Friedensprozess. „Ägypten ist eine wichtige Stimme und kann einen wichtigen Beitrag leisten“, sagte die Kanzlerin. Sie dankte Mursi für das Engagement seines Landes für eine Waffenruhe nach dem jüngsten Beschuss Israels aus dem Gazastreifen. Deutschland fühle sich der Aufgabe verpflichtet, eine Zweistaatenlösung für Israelis und Palästinenser zu erreichen, betonte Merkel.

Mursi versicherte, er wolle demokratische Reformen in seinem Land vorantreiben: „Ägypten wird ein Rechtsstaat sein.“ Er verteidigte seine Entscheidung, in Teilen des Landes den Notstand zu verhängen. Dies sei eine vorübergehende Maßnahme, sagte Mursi. „Sie dient der Sicherheit der Einwohner, um kriminellen Überfällen ein Ende zu setzen.“ Der Ausnahmezustand solle beendet werden, sobald keine Notwendigkeit mehr bestehe.

Auf die Frage, ob er die Opposition in eine Allparteienregierung einbinden wolle, sagte Mursi, es gebe eine stabile Regierung. Nach den Parlamentswahlen in wenigen Monaten werde über eine neue Regierung entschieden. Er sprach sich für einen Ausbau der deutsch-ägyptischen Beziehungen aus – verwahrte sich aber gegen die „Einmischung in interne Angelegenheiten“.

Er bezeichnete seine Äußerungen über die Zionisten in Israel als aus dem Zusammenhang gerissen. „Ich bin nicht gegen das Judentum als Religion. Ich bin nicht gegen die Juden, die ihre Religion ausüben“, sagte Mursi. Seine Äußerungen seien aus dem Kontext gerissen worden. Er sei gläubiger Muslim. „Und meine Religion verpflichtet mich dazu, an alle Propheten zu glauben, alle Religionen zu respektieren und das Recht der Menschen auf Glaubensfreiheit zu respektieren.“

Mehrere internationale Medien hatten Mitte Januar über TV-Interviews von Mursi aus dem Jahr 2010 berichtet. Darin hatte er die Zionisten in Israel als „Blutsauger“ und „Nachfahren von Affen und Schweinen“ beschimpft. Mursi sagte, es sei damals die Rede von religiösen Praktiken gewesen, mit denen Blut vergossen oder mit denen unschuldige Zivilisten angegriffen würden. Das akzeptiere er nicht.

Gewalt in Ägypten

Mursi verkürzt Berlin-Besuch wegen der gewalttätigen Unruhen in seinem Land

Seit Tagen halten in Ägypten gewalttätige Ausschreitungen mit Toten und Verletzten an. Der umstrittene Staatschef Mursi gehört zur Muslimbruderschaft. Die ägyptische Opposition gibt den Islamisten die Schuld an dem derzeitigen Konflikt. Die Muslimbrüder werfen der Opposition indes vor, zu Gewalttaten anzustiften und Mursi aus dem Präsidentenamt jagen zu wollen.

Mehrere Menschenrechtsgruppen begleiteten Mursis Besuch in Berlin mit Protesten. Vor dem Kanzleramt demonstrierten rund 70 Menschen auf einer Kundgebung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Die Aktivisten hatten Plakate und zwei große Nofretete-Figuren dabei, die jeweils eine Gasmaske und einen blutigen Verband trugen.

Mursi war am Mittag von Merkel mit militärischen Ehren im Kanzleramt empfangen worden. Dann folgte ein gemeinsames Mittagessen. Seinen zunächst auf zwei Tage angelegten ersten Besuch in Deutschland verkürzte der Präsident auf wenige Stunden, weil er am Abend wegen der Unruhen wieder nach Kairo fliegen wollte. Ein für Donnerstag geplantes Treffen mit Bundespräsident Joachim Gauck wurde abgesagt.