Kommentar Mosebach: Revisionistisches Gerede

Wie Martin Mosebach in seiner Bpüchnerpreis-Rede an der französischen Revolution scheitert.

Dass ein Schriftsteller anlässlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises sich in anfechtbarer Weise über Büchners Werk "Dantons Tod" auslässt, ist sein gutes Recht und nicht weiter bemerkenswert. Des diesjährigen Büchner-Preisträgers Martin Mosebachs Preisrede sprengt hingegen entschieden den Rahmen dessen, was die Duldsamkeit gegenüber schriftstellerischer Rede zu ertragen gebietet. Seine Parallelisierung der mörderischen Rhetorik des Revolutionärs de Saint-Just mit Heinrich Himmler und dessen Rede in Posen über den "anständig" gebliebenen SS-Mörder ist nicht nur historisch abstrus, sondern folgt einem Geschichtsbild, das den konsequent demokratischen Impuls innerhalb der Französische Revolution denunziert - in geschichtspolitischer Absicht.

Heinrich August Winkler, der Historiker, hat in seiner Kritik von Mosebachs Rede schon darauf hingewiesen, dass dessen eigentliches Angriffsziel die Ideen der Aufklärung sind, vor allem die radikal-demokratischen von Jean-Jacques Rousseau. Solche Fahndung nach den angeblichen Gründervätern des Totalitarismus ist nicht neu. Im Zentrum solcher Theorien stand stets Rousseaus Vorstellung von der notwendigen Identität der Bürger mit ihrem Gemeinwesen. Dieses Identitätspostulat nachträglich zur Grundlage moderner totalitärer Herrschaft zu machen war allerdings stets ein willkürliches Konstrukt.

Mosebach geht einen Schritt weiter. Der Vergleich Saint-Justs, des Rousseau-Bewunderers, mit Himmler, dem Exekutor des Rassenmassenmordes, ebnet alle wesentlichen Unterschiede ein. Wie kann man den revolutionären Terror angesichts des Bürgerkrieges, der konterrevolutionären Interventionen und des Drucks verelendeter Massen mit der Nazi-Mordmaschine gleichsetzen? Wie kann man die "Diktatur im Namen der Freiheit", die 1793 die erste europäische demokratische Verfassung hervorgebracht hat, mit der nazistischen Vernichtungspolitik in einem Namen nennen? Wie kann man dem Königtum, dem Ancien Régime, ein solches Loblied singen, wie der Büchnerpreisträger Mosebach es tut? Man kann, wenn man genügend Rückenwind verspürt.

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