Harry packt die Flinte weg

Großer Posttag im Kieler Landwirtschaftsministerium: Gestern mussten die Absage-Schreiben an die 200 prominenten Gäste der Staatsjagd auf den Postweg gebracht werden

von Benno Schirrmeister

Der Gewinner ist: die Post. Gestern nämlich mussten im Hause Mercatorstraße 3 in Kiel 200 Extra-Briefe auf den Weg gebracht werden. Das ist der Amtssitz des Landwirtschaftsministers Christian von Boetticher (CDU). Und der Inhalt seiner Briefe darf als hochnotpeinlich beschrieben werden. Es handelte sich nämlich um Ausladungen illustrer Gäste aus Wirtschaft und Gesellschaft. Grund: Am Mittwochabend wurde die schleswig-holsteinische Staatsjagd abgesagt (taz berichtete).

Staatsjagd ist natürlich der falsche Ausdruck, nach offizieller Sprachregelung sollte es sich bei dem Ereignis im Segeberger Staatsforst bloß um „die übliche Gemeinschaftsjagd“ handeln. Doch hatten die Beteuerungen aus dem Landwirtschaftsministerium den Verdacht nicht zerstreuen können, dass der Termin mehr zu Repräsentations-Zwecken als zu Hege-Arbeiten dienen sollte. Genährt wurde er vor allem dadurch, dass Landesfürst Carstensen höchstpersönlich seinen Peter-Harry-Stutzen schwingen wollte. Und durch eine geheimnisumwitterte Gästeliste: Unwidersprochenen Meldungen zufolge enthielt die vor allem Promis, bekannt aus Wirtschaft und Gesellschaft. Stückzahl: 200.

Eine solche in Szene gesetzte Jagd passe nicht in die heutige Zeit, gab sich deshalb auch die mitregierende SPD befremdet über die Pläne, die FDP fragte nach den Kosten des Spektakels und die Grünen argwöhnten, Tierschutz in Schleswig-Holstein heiße künftig, die Tiere vor der Landesregierung zu schützen. „Es ist keine Frage, dass dort eine Jagd notwendig ist“, so deren Fraktions-Vize Karl-Martin Hentschel. Rehe, Hirsche und Wildschweine hätten keine natürlichen Feinde, deshalb müsse der Besatz aus ökologischen Gründen dezimiert werden. „Aber Tiere totzuschießen ist kein Freizeitvergnügen.“

Gerüchten zufolge war geplant, jedem Promi-Waidmann einen erfahrenen Jäger beizugesellen, der verwundeten, aber nicht erlegten Tieren den Gnadenschuss hätten geben können. Aber das muss falsch sein, denn das Landwirtschaftsministerium hatte betont, es würden nur jagdkundige Gäste geladen. Ein Zusammenhang mit der Kritik und der Absage bestehe „keineswegs“, so Ministeriumssprecher Christian Seyfert auf Nachfrage. Schuld sei vielmehr „das Sicherheitsrisiko durch selbst ernannte Tierschützer.“

Tatsächlich wimmelte es im Internet von Boykott-Aufrufen gegen das Segeberger-Halali: „Wir werden an diesem Tag auch vor Ort sein und alles tun, um das Leben der Tiere zu retten!“, hatte die Gruppe „Jagdstoerung“ angekündigt, die „Antispeziesistische Aktion“ hatte zum Treff am Forsthaus Segeberg eingeladen und die in Nordrhein-Westfalen beheimatete Organisation „die Tierfreunde“ hatte gefordert, „die Jäger aus dem Wald zu jagen.“

„Wenn so massiv gestört wird, kann es sein, dass gar kein Wild mehr da ist“, so Seyfert. Dann aber sei „die ganze Aktion überflüssig“. Zudem würde sich für Störer das „Risiko eines Unglücksfalles deutlich erhöhen“. Ministerpräsident erlegt Landeskind – das wäre in der Tat ein PR-Desaster sondergleichen geworden: Dann schon lieber Absage schreiben. Die Jagd finde nun an einem anderen Termin statt, „selbstverständlich“, so Seyfert. Ob man an der Gästeliste festhält, ist indessen unklar. Gegen eine Teilnahme des Ministerpräsidenten gebe es jedoch „keine Vorbehalte“.