Das „Schicksal“ kommt aus Karlsruhe

In seiner Antrittsrede setzt Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) vor allem auf mehr Geld vom Bund. Sparen will er bei den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. SPD-Fraktionschef Carsten Sieling will bessere Kontrolle durch das Parlament

„Wir müssen eine Fülle weiterer Härten beschließen“, sagt CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau

Bremen taz ■ In seiner ersten Regierungserklärung hat Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) die Zukunft Bremens an einen Erfolg seiner „schicksalsträchtigen“ Verfassungsklage geknüpft. „Wir können die dramatische Haushaltslage nicht allein bewältigen.“ Bremen sei „kein Kostgänger“, so Böhrnsen. Das Land wolle nur, was ihm zustehe.

Bremen könne „erhobenen Hauptes“ nach Karlsruhe ziehen und über eine gerechtere Finanzausstattung verhandeln, so Böhrnsen. Die Hansestadt werde nachweislich bei der Verteilung der Steuereinnahmen benachteiligt. Wenn es nicht gelinge, die Finanzverteilung zu Gunsten Bremens zu verändern, fügte der SPD-Fraktionschef Carsten Sieling hinzu – „dann ist alles nichts“. Bei der FDP stehe man den Hoffnungen der SPD „sehr skeptisch“ gegenüber, sagte deren Abgeordneter Willy Wedler.

Böhrnsen forderte zugleich eine Beteiligung des Bundes an den hohen Kosten für den Ausbau der bremischen Häfen ein. „Wir übernehmen hier Verantwortung für den Exportweltmeister Deutschland und nicht allein für uns.“ Es sei „nur recht und billig“, wenn sich der Bund angemessen an den „gigantischen Investitionen“ beteilige.

Beim Sparen mahnte der neue Regierungschef „Ehrgeiz und Realismus“ an. Konkrete Sparziele mochte er aber nicht nennen – um nicht die eigene Glaubwürdigkeit zu gefährden, so Böhrnsen zur Begründung. Zunächst müsse klar sein, wo und wie gespart werden könne.

Dabei wird Böhrnsen möglicherweise stärker als sein Vorgänger Henning Scherf auf das Parlament hören müssen, insbesondere auf die SPD-Fraktion. Deren neuer Chef Carsten Sieling mahnte gestern erneut eine „bessere Zusammenarbeit“ von Parlament und Senat an.

„Einsparpotentiale“ sieht Böhrnsen unter anderem bei den Beschäftigen des Öffentlichen Dienstes. Zwar schloss er betriebsbedingte Kündigungen ausdrücklich aus. Er wolle jedoch mit den Gewerkschaften über Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen verhandeln, so der Regierungschef. Damit könnten die vorgesehenen Kürzungen an Urlaubs- und Weihnachtsgeld beim Bremer Theater für den gesamten öffentlichen Dienst in Bremen zum Vorbild avancieren.

Auch CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau meinte, das Land müsse beim Sparen „die Schraube ein bisschen weiter drehen“. Die große Koalition, so Perschau, müsse eine „Fülle weiterer Härten“ beschließen. Auf Details wollte er sich jedoch ebenso wenig festlegen wie die Vertreter der SPD.

Zugleich forderte Perschau allgemeine Studiengebühren zur Finanzierung der Hochschulen ein. „Sie kommen sonst in große Schwierigkeiten.“ Die Hochschulen seien durch die bis 2010 eingeforderten Einsparungen von 100 Millionen Euro „weit über die Grenzen hinaus belastet“.

Bei den Grünen erntete Böhrnsen mit seiner Antrittsrede deutliche Kritik: Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert bescheinigte dem neuen Bürgermeister „Regierungsunfähigkeit“. Böhrnsen habe sich dem Ernst der Lage noch nicht gestellt, kritisierte Linnert, zudem fehlten der großen Koalition „nach wie vor die Gemeinsamkeiten“. Linnert forderte konkrete Beschlüsse ein: „Allgemeine Reden haben wir genug gehört.“

Zuvor hielt die Grünen-Politikerin Böhrnsen zahlreiche Versäumnisse aus seiner sechs Jahre währenden Zeit als SPD-Fraktionsvorsitzender vor. „Wir werden es ihnen nicht durchgehen lassen, dass sie so tun, als seien Sie wie ein Vogel aus dem Nest ins Rathaus gefallen.“ Jan Zier