Erstdelikte verjähren schneller

Italiens Parlament verabschiedet Gesetz. Nun könnte Berlusconi-Prozess platzen

ROM taz ■ Am Mittwochabend verabschiedete die Rechtskoalition im italienischen Abgeordnetenhaus wieder ein Gesetz, das Silvio Berlusconis Nöte mit der Justiz mildern soll. Das Gesetz sieht eine generelle Verkürzung der Verjährungsfristen für nicht vorbestrafte Ersttäter vor. Auf der anderen Seite müssen Wiederholungstäter mit teils drastischen Strafverschärfungen rechnen.

Ursprünglich zielten die neuen Normen vor allem darauf, einen Berlusconi-Intimus aus der Schusslinie der Justiz zu bringen: den Rechtsanwalt und Forza-Italia-Abgeordneten Cesare Previti. Der hat in zwei erstinstanzlichen Urteilen wegen Richterbestechung 12 Jahre Haft eingeheimst. Per Abkürzung der Verjährungsfrist sollten die Berufungsverfahren abgewürgt werden.

Daraus wurde allerdings nichts: Der kleine christdemokratische Koalitionspartner UDC legte sich quer und erreichte, dass das neue Gesetz bei laufenden Prozessen keine Anwendung findet. Damit wurde einem Kritikpunkt aus der Richterschaft und der Opposition der Wind aus den Segeln genommen: Zehntausende Prozesse wegen Korruption, betrügerischen Bankrotts (unter anderem gegen den Parmalat-Chef Calisto Tanzi), wegen Betrugs, Diebstahls oder Raubs hätten umgehend eingestellt werden müssen.

Dennoch bleibt die grundsätzliche Philosophie des Gesetzes unangetastet: Weiße-Kragen-Täter, die sich gute, auf Prozessverschleppung spezialisierte Anwälte leisten können, haben künftig beste Chancen, regelmäßig straffrei auszugehen, da in Italien die jetzt kurzen Verjährungsfristen während des Prozesses weiterlaufen. Auch beim x-ten Betrugsdelikt sind und bleiben sie „Ersttäter“, da es nie zu einer Verurteilung kommt.

Hart angefasst werden in Zukunft Kleinkriminelle. Sie werden schon heute ruckzuck abgeurteilt und müssen demnächst mit happigen Strafaufschlägen rechnen. Zwar hilft das Gesetz nicht dem Berlusconi-Freund – dafür aber dem Regierungschef selbst. Gegen ihn soll bald ein Prozess wegen Steuerhinterziehung und Bilanzfälschung in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro eröffnet werden.

Wenn jetzt auch der Senat dem neuen Gesetz zustimmt, wird es wegen Überschreitung der Verjährungsfrist zur Prozesseröffnung gar nicht erst kommen. Italiens Öffentlichkeit hat von dem Manöver jedoch kaum etwas erfahren: Die Koalition paukte das Gesetz am Tag eines landesweiten Journalistenstreiks durch. MICHAEL BRAUN