Kommentar Mindestlöhne: Der Ärger geht weiter
Jetzt also doch: Ein Mindestlohn für die Postbranche wird kommen. Beide Parteien, Union und SPD, dürften froh sein, dass das Thema noch vor Weihnachten vom Tisch ist.
D ie SPD kann zufrieden sein, weil sie ihren Wählern zurufen kann: Seht her, wir haben uns durchgesetzt. Wir sind die Partei der sozialen Gerechtigkeit. Grund zur Erleichterung hat jedoch auch die Union: Sie ist zwar mit ihrem Versuch, den Mindestlohn zu verhindern, gescheitert. Doch bescherte ihr das Thema in den letzten Wochen nur noch Negativschlagzeilen mit dem Tenor: Die Union hat ihr Wort gebrochen, sie reitet nun auf jedem Nebensatz herum. Diesen Ärger ist sie erst mal los.
Katharina Koufen ist seit 1999 taz-Redakteurin und arbeitet im Parlamentsbüro der taz.
Doch wird der Streit zwischen SPD und Union bei jeder neuen Branche, die eine Aufnahme ins Entsendegesetz beantragt, von neuem losgehen. Und immer wieder wird die SPD es schaffen, die Union als Wortbrecher und Partei der sozialen Kälte hinzustellen. Vermutlich dämmert es den Parteiführungen von CDU und CSU deshalb schon heute, man hätte sich besser beizeiten auf eine allgemein gültige Lösung eingelassen.
Ein Kompromiss hätte der Vorschlag des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger sein können: ein Mindestlohn für alle, kombiniert mit einer Negativsteuer. Er hätte die Befürchtungen auf beiden Seiten wenigstens teilweise aus dem Weg räumen können: Dieser niedrige Mindestlohn würde auch in den strukturschwachen Gegenden in Ostdeutschland keine Arbeitsplätze in Gefahr bringen - dies ist der Union wichtig. Gleichzeitig würde verhindert, dass die Unternehmen ihre Löhne ins Bodenlose drücken und den Staat den Rest bezahlen lassen - darauf legt vor allem die SPD Wert.
Doch diesen Kompromiss wird es vor 2009 nicht mehr geben. Stattdessen wird die SPD mit der Forderung nach Mindestlöhnen Wahlkampf machen. Und die Union wird immer wieder in Erklärungsnot geraten: Einerseits muss sie für das Wahlvolk gegen einen Mindestlohn polemisieren. Andererseits wird sie mit weiteren Branchen konfrontiert, die eine Aufnahme ins Entsendegesetz beantragen. Die Erleichterung der Union über die Einigung in der Postbranche dürfte daher von kurzer Dauer sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen