piwik no script img

Streiks im EinzelhandelGewerkschaft will Läden zumachen

Mit dem Einsatz von Leiharbeitern hebeln Supermärkte den Streik im Einzelhandel aus. Daher wird der Arbeitskampf kaum wahrgenommen. Verdi will gegen den Trick klagen.

Fühlt sich durch Supermarktketten betrogen: Die Gewerkschaft Verdi Bild: ap

Die Gewerkschaft Verdi will sich dagegen wehren, dass Arbeitgeber Leiharbeiter als Streikbrecher im Einzelhandel einsetzen. "Das Thema ist juristisch noch nicht ausgeleuchtet. Wir klagen das zur Not durch die Instanzen, damit Klarheit herrscht", sagte Verdi-Tarifexperte Jörg Wiedemuth der taz. Derzeit suche die Gewerkschaft einen Angestellten einer Zeitarbeitsfirma, der dazu bereit sei.

Aus Gewerkschaftssicht ist die juristische Drohung Notwehr. Denn wenn wie am Wochenende in acht Bundesländern mehr als 10.000 Beschäftigte im Einzelhandel für mehr Geld, Nachtzuschläge und Mindesteinkommen streiken, merkt die Öffentlichkeit wenig davon. Supermarktketten heuern Leiharbeiter an, die statt der tariflich bezahlten Verkäuferinnen Preise in die Kassen tippen oder Regale einräumen.

Die Gewerkschaft führt zwar keine Statistik, wie häufig dies geschieht. Dennoch sei klar: Leiharbeitnehmer würden in großem Umfang als Streikbrecher eingekauft. "Die Taktik der Arbeitgeber ist einfach: Im Supermarkt streiken Filialleiter nicht mit, dazu kauft die Geschäftsführung ein paar Leiharbeiter ein und der Laden bleibt auf", sagt Günter Isemeyer, Verdi-Sprecher in Nordrhein-Westfalen. Hier legten in den vergangenen Monaten Angestellte von Kaufhof, Rewe, Real oder Schlecker die Arbeit nieder. In 80 bis 90 Prozent der Fälle seien Leiharbeiter ersatzweise eingesetzt worden, sagt Isemeyer.

Verdi hält diese Praxis für rechtswidrig. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz: Ein Leiharbeiter "ist nicht verpflichtet, bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf ummittelbar betroffen ist", heißt es darin. Für viele Zeitarbeitsfirmen gilt zudem ein Tarifvertrag, den Branchenverbände mit Verdi abgeschlossen haben. Er schließt den Einsatz als Streikbrecher aus.

Beim Bundesverband Zeitarbeit ist man überzeugt davon, dass sich alle Firmen daran halten: "Es werden wegen des Streiks keine zusätzlichen Kräfte ausgeliehen. Da gilt eindeutig die Klausel im Tarifvertrag", sagt Sprecher Thomas Läpple. Bei Leiharbeitern, die schon vor dem Streik in einem Geschäft arbeiteten, sieht der Verband allerdings keinen Vertragsbruch. Volker Homburg, Vorsitzender des Interessenverbands deutscher Zeitarbeitsunternehmen, sagt: "Wir machen keine Stichproben. Das kann nur aus den Betrieben kommen - Beschäftigte können uns Verstöße melden." Bisher habe es aber keine Beschwerden gegeben. Verdi-Mann Wiedemuth wundert das nicht. Denn in Zeitarbeitsfirmen geht es bei Streikbrecher-Einsätzen nicht so sauber zu, wie die Verbände vorgeben. Zeitarbeiter seien zuvor oft arbeitslos gewesen, sagt Wiedemuth. Viele hätten nur befristete Verträge und Angst, im Falle einer Weigerung in Zukunft schlechtere Einsätze zugewiesen zu bekommen. "Da überlegt sich jeder ganz genau, ob er seinen Arbeitgeber verärgert, indem er den Einsatz als Streikbrecher ablehnt."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!