Terror im Libanon: General stirbt durch Bombe
Bei einem Anschlag im Libanon ist der Operationschef der Armee ums Leben gekommen - in einer Zeit, in der das Militär als Institution gilt, die das Land zusammenhält.
Autobomben sind im Libanon nichts Ungewöhnliches - doch eines der neusten Opfer fällt aus dem Rahmen. General François Al-Hajj war gerade auf seinem morgendlichen Weg zur Arbeit im Verteidigungsministerium, als am Mittwoch neben seinem Fahrzeug in Baabda, einem christlichen Vorort Beiruts, eine Autobombe explodierte. Der Operationschef der libanesischen Armee war sofort tot. Vier weitere Soldaten wurden getötet, Duzende Menschen verletzt.
Es war der erste Anschlag auf einen Angehörigen der Armee. Die bisherigen Attentate hatten prominente syrienkritische Politiker und Intellektuelle zum Ziel. Die politischen Ansichten des 55jährigen Al-Hajj waren dagegen nicht bekannt. Er steht als ein Symbol für die Armee, die sich in den vergangenen zwei Jahren im Konflikt zwischen der von den USA und Saudi Arabien unterstützten Regierung des Premiers Fuad Siniora und dem von der Hisbollah angeführten Oppositionsbündnis im Orbit von Syrien und Iran neutral verhalten hatte.
Die Armee gilt als die wichtigste Institution, die das Land in der Krise zwischen den beiden polarisierten politischen Lagern zusammen halten kann. Daher wird Armeechef Michel Suliman auch als Kompromisskandidat für das Präsidentenamt gehandelt, das seit dem Ablauf der Amtszeit von Emile Lahoud am 24. November vakant ist. Insgesamt acht Mal war die Wahl eines neuen Präsidenten bisher verschoben worden. Der ermordete Al-Hajj galt als Anwärter für den Posten des Armeechefs, sollte Suliman tatsächlich zum Staatschef gewählt werden.
Zwar haben beide Lager Suliman als Kompromisskandidaten akzeptiert, Streitpunkt ist aber eine Verfassungsänderung, denn bisher kann ein Inhaber eines öffentlichen Amtes nicht Präsident werden. Die Opposition stellt außerdem die Bedingung einer Kabinettsumbildung.
Die Ermordung von Al-Hajj fällt also in die Phase eines gefährlichen politisches Vakuums. Allerdings deutete das Regierungslager dieses Mal nicht sofort geschlossen in Richtung Syriens, wo sie die Hintermänner für die bisherigen Anschläge vermutet. Selbst der als Syrienkritiker bekannte Drusenchef Walid Dschumblatt warnte diesmal im arabischen Fernsehsender Al-Jazeera vor "wilden falschen Verdächtigungen". Die Hisbollah bezeichnete den Tod des Generals als "einen großen nationalen Verlust" und lobt Al-Hajj für "seine Rolle als Garant für die Sicherheit des Landes".
Möglich ist, dass die Ermordung des Generals in Zusammenhang mit dem Kampf um das palästinensische Flüchtlingslager Nahr Al-Bared in Verbindung steht. In einer drei Monate andauernden Operation hatte die libanesische Armee dieses Jahr das Lager in der Hand einer Gruppe von militanten Islamisten namens Fath Al-Islam im September zurückerobert. Bei der Operation starben 400 Menschen, 40.000 Bewohner Nahr Al-Bareds flohen, weite Teile des Lagers wurden zerstört. Die Eroberung des Lagers ist einer der Gründe, warum die Armee im Libanon heute in allen politischen Lagern einen guten Ruf genießt. Bei dem jüngsten Anschlag könnte es sich um eine Racheaktion der damals unterlegenen Splittergruppe handeln. General Al-Hajj hatte die Militäroperation zur Rückeroberung des Lagers geleitet. Er wurde im Libanon als "der Held von Nahr al-Bared" gefeiert. Politische Kommentatoren aus allen Lagern hoffen nun, dass der jüngste Anschlag dazu führt, dass beide Lager bei der Präsidentschaftswahl von Maximalforderungen abrücken und dies eine Lösung der Krise näher rücken lässt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!